von Hermann Karosser
Ich bin in Niederbayern aufgewachsen, in Passau, wo mein Elternhaus steht und in Pfarrkirchen, wo ich aufs Gymnasium gegangen bin. Anders als hier in MĂŒhldorf kennt in Niederbayern fast jeder den Dichter Hans Carossa, in jeder Stadt gibt es eine Hans-Carossa-StraĂe, in der niederbayerischen Bezirkshauptstadt Landshut sogar ein Hans-Carossa-Gymnasium.
âJa, bist du etwa mit dem Dichter verwandt?â, war schon in meiner Jugend die hĂ€ufige Frage, wenn ich mich irgendwo vorstellte oder sonst meinen Namen angab. Das war ganz toll, mit einem so berĂŒhmten Menschen in Verbindung gebracht zu werden. Der Stolz verging aber meist wieder schnell, wenn die Fragesteller die Antwort selbst beantworteten: âAber nein, du schreibst dich ja ganz andersâ. Das ganze diesbezĂŒgliche Interesse an meinem Stammbaum erlosch schlieĂlich vollends, wenn ich mit aller kindlichen Unsicherheit auch noch sagte: âWahrscheinlich bin ich schon verwandt, aber genau wissen tut man`s nichtâ.
TatsĂ€chlich konnte ich mich nĂ€mlich zum damaligen Zeitpunkt auf keine Verwandtschaft berufen. Der Dichter Hans Carossa und mein Vater hatten ĂŒber das Thema zwar mehrfach gesprochen, ihre Recherchen fĂŒhrten aber deshalb zu keinem gemeinsamen Stammvater, weil unsere Vorfahren damals nur bis circa 1800 und die des Dichters nur bis 1826 zurĂŒckverfolgt werden konnten und in diesem Zeitraum keine Beziehung herzustellen war.
Im Jahr 1994 erhielt ich einen Anruf von einem mir bis dahin unbekannten Verwandten, der sich die Erforschung seiner Ahnen zur Aufgabe gemacht hatte. Wir trafen uns damals, tauschten Unterlagen, Namen und sonstige Kenntnisse aus und siehe da, es wurde ein Frantz Johann Carusa gefunden, dessen Sohn Johann Baptist Karoser der Ur-Ur-GroĂvater des Dichters Hans Carossa und mein Ur-Ur-Ur-Ur-GroĂvater war. Er hat von 1731 – 1807 gelebt. Damit ist unsere â zugegeben sehr entfernte â Verwandtschaft mit dem Dichter endlich nachgewiesen.
Die unterschiedliche Schreibweise dieses seltenen Namens ist darauf zurĂŒckzufĂŒhren, dass sie so manchen Schreiberling, der das Taufregister zu fĂŒhren hatte, ĂŒberfordert hat. Und so kommt es, dass trotz Verwandtschaft viele Abwandlungen entstanden. Es gibt als Anfangsbuchstaben C oder K, man findet einfaches r und Doppel-r, u oder o, einfaches s, scharfes s, zwei s und am Ende a oder er. Fast alle Kombinationen dieser Buchstabenvarianten werden irgendwo als Name gefĂŒhrt.
Leider habe ich Hans Carossa nicht persönlich kennengelernt, ich war nicht einmal 3 Jahre alt als er starb. Dennoch war er irgendwie immer prĂ€sent in meinem Leben und ich âschmĂŒckte michâ nicht selten damit, einen so prominenten Verwandten zu haben. So begrĂŒndete ich auch die Tatsache, dass Deutsch immer mein Paradefach mit den besten Noten in der Schule war, ganz unbescheiden damit, eben mit einem berĂŒhmten Dichter verwandt zu sein.
© Hermann Karosser 2020-07-06