von Violet
Einsamkeit war rundum die Bank gekommen. Still war es geworden. Ihre Bedeutung war nicht mehr dieselbe.
Nur die Vögel zwitscherten noch wie früher ihre Lieder, verlassen, während sie nicht mehr da war.
Sie spazierte durch Venedig und stand unter dem Eifelturm. Sie schwamm im Pazifik und saß vor Stonehenge. Sie bestaunte den Buckingham Palace und spielte in Las Vegas. Sie blickte auf die Golden Gate Bridge und tanzte in Mexiko. Sie war überwältigt vom Taj Mahal und segelte nach Monaco. Sie stand an Irlands Klippen und tauchte am Great Barrier Reef. Sie besuchte die Pyramiden von Gizeh und betete im Stephansdom.
Strahlende Bilder … unvergessliche Erinnerungen … spannende Erzählungen nahm sie mit.
In der Zwischenzeit stand die Bank beharrlich an ihrem sicheren Ort. Für sie war die Bank, der Ort, an dem sie echte Geborgenheit fühlte. Die Nähe wärmte sie. Wie sonst nirgendwo. Egal wie beeindruckend und berühmt die Orte auch gewesen waren, die sie besucht hatte, niemals vergaß sie und niemals fand sie dieses Gefühl an einem anderen Ort der Welt. Wie in einer komplett anderen Welt fühlte sie sich stets, wenn sie gemeinsam auf der Bank saßen. Eine Welt, die nur ihnen beiden gehörte. In der sie einfach sein konnte. So wie sie war. Ungeschminkt und unvollkommen. Auch in der alten Jogginghose, fühlte sie sich wie in einem Ballkleid. Sie musste nicht versuchen alles richtig machen, denn in diesen Momenten konnte sie nichts falsch machen. Dort musste sie niemals perfekt für sich und andere Menschen sein. Das Böse erschien ihr immer weit genug weg, sodass sie nur das Gute spüren konnte. Von der einen auf die andere Sekunde wirkte alles viel leichter und sie konnte es loslassen. Schwierige Dinge wurden unbedeutend und einfache Dinge bedeutend.
Plötzlich schreckt sie auf. Ihr Blick reicht hinauf bis in den sternenklaren Himmel. Er erscheint ihr vertraut hell und beängstigend dunkel zugleich. Beruhigend und beunruhigend, still und laut sind die vielen Sterne. Jetzt sieht sie es. Nicht alles ist WIRKLICHKEIT und nicht alles ist TRAUM.
Nur allzu gern würde sie sich wieder auf die Bank setzen, ganz so wie früher. Sie würden dort gemeinsam sitzen. Über Gott und die Welt sprechen und sich einander Geschichten erzählen. Sie könnte sich setzten … aber heute müsste sie dort alleine sitzen.
Nun wusste sie, dass nur die richtigen Menschen ihren Worten und ihrem Leben eine Bedeutung geben.
Die Bank scheint sich kaum verändert zu haben, außer die Farbe ist etwas verblichen. Sie ist an ihrem gewohnten Platz und wurde scheinbar keinen einzigen Zentimeter verschoben. Sie steht dort, schön wie allezeit … doch nur der Mensch, der stets neben ihr auf der Bank saß, machte sie erst besonders.
ALLES und NICHTS ist, wie es einst gewesen.
© Violet 2021-04-11