von EMB
Ich mag es, zu Fuß nach einem anstrengenden Arbeitstag nach Hause zu gehen. Die Gedankenströme werden langsamer, jene, die die Arbeit betreffen weniger, jene fürs Private stärker. Es ist meine Art, Arbeitsfrust- und lust zu bewältigen, sodass ich in meinen eigenen vier Wänden angekommen mich wirklich dem Leben widmen kann (einkaufen, kochen, lesen, kreativ sein…)
Mein derzeitiger Arbeitsplatz befindet sich – wie bei vielen wahrscheinlich – auf dem Esstisch, der momentan drei Funktionen innehat: Schreibtisch, Esstisch und auch Basteltisch. Gottseidank verstehen sich Laptop, Nähmaschine und Perlendosen, sonst hätte ich ein echtes Problem. Manche Teller und Gläser sind nämlich schon echt gereizt, wenn sie auch nur in die Nähe des Tisches kommen. Man glaubt gar nicht, wie zickig Geschirr sein kann…
Entsprechend des kurzen Arbeitsweges von einem Sessel (Frühstück) zum anderen (Arbeitsplatz) ist es natürlich derzeit Essig mit meinen gewohnten Mechanismen der Gedankenstromberuhigung.
Das Spazieren draußen ist kein adäquater Ersatz. Denn wie ich festgestellt habe, ticken die (Lebens-)Uhren vieler Bewohner und Bewohnerinnen der Umgebung ähnlich der meinen. Ich gehe raus und die Gasse ist voll. Um die Ecke biegen – niemand da – Vorfreude auf gemütlichen Spaziergang – Gasse schlagartig voll.
Also gehe ich in meiner Wohnung auf und ab. Sie ist nicht sehr groß, aber für mich gerade richtig.
Wenn ich den Arbeitsplatz-Sessel verlasse und durch Wohnzimmeranien Richtung Küchengebirge durch Fluristan am Badezimmerstrand vorbei gehe, steh ich vorm Fenster am Ende des Ganges. 15 Schritte. Blick aus dem Fenster: Was spielt sich im Innenhof ab? Aja, die Studentennachbarn chillen in der Sonne. Umdrehen wieder retour Richtung Esstisch. Dieses Mal biege ich vorher leicht rechts ab zum Wohnzimmerfenster.
Gasse leer. Ich drehe um und besuche wieder das Fenster am Ende des Ganges.
20 Mal, 30 Mal. Je nachdem.
Wenn dann die Sonne im richtigen Winkel einfällt und die Böden in ihr schönstes Licht taucht, denke ich nicht mehr: „Uh, ich sollte Staubsaugen, schaut schon wieder so aus.“
Nein, ich bewundere die gelaufene Furche im Alltagsstaub, der sich ohne zu fragen nach jedem Mal Staubsaugen und Putzen wieder niederlässt, und freue mich: „Heute warst du sehr symmetrisch unterwegs, nur wenn du das nächste Mal einen Zwischenstopp beim Wasserhahn einlegst, tropf das Wasser nicht auf den Boden, das sind unnötige Hürden zum Ausweichen.“
© EMB 2020-04-22