Die Geschichte des Waldsterbens

FranzForFuture

von FranzForFuture

Story

Prof. Wrba war ein Biologieprofessor mit Weitblick und Visionen. Sein Unterricht glich der Darbietung eines Jazzmusikers: Am Anfang stellte er das Thema vor und dann improvisierte er darüber. Andere Musiker (Schüler) lieferten Beiträge, die er aufgriff, zusammenführte, um am Ende zum Thema zurückzukehren. Spannend war sein Unterricht vor allem auch deshalb, weil er uns mit Themen überraschte, von denen niemand je zuvor gehört hatte und die in keinem Buch standen. (Dummerweise kamen diese abgefahrenen Themen dann auch zur Schularbeit. Frage: „Was wissen Sie über Aids?“)

Es war das Jahr 1983, als er das Thema „Saurer Regen“ aufs Tapet brachte. Schnell wurde uns klar: Wenn das stimmt, was er da erzählt, dann ist Feuer am Dach. Wir diskutierten, was wir tun könnten und beschlossen, am Nachmittag, in unserer Freizeit, eine „Waldausstellung“ zu erstellen. Jeder Schüler fotografierte dazu in seinem Heimatort absterbende Bäume. Mit diesen Bildern, Texten und Grafiken erklärten wir, was „saurer Regen“ ist und was seine Wirkungen sind. Wir hatten einen Kindersarg aufgestellt, aus dem schaurige Musik ertönte und ein Knochengerippe aus dem Biologiesaal umarmte eine Fichte.

Zu Beginn der 1980er-Jahre quoll aus den Schloten der Industrie noch Schwefeldioxid, das in Verbindung mit Wasser zu schwefeliger und zu Schwefelsäure wurde und als saurer Regen später wieder auf die Erde fiel. Dies war zwar schon seit Ende der 1960er-Jahre bekannt, aber erst als im Mitteleuropa das große „Waldsterben“ einsetzte, wurden Gegenmaßnahmen gesetzt. An den Bäumen beobachtete man das Lamettasyndrom (Fichtenäste verlieren die Nadeln und hängen senkrecht nach unten) und das Storchennestsyndrom (Absterben des Wipfels).

In Industrieanlagen und Kohlekraftwerke wurden Entschwefelungsanlagen eingebaut und der Wald erholte sich wieder.

Während die SO2-Emissionen in Mitteleuropa seit dem Jahr 1990 zurückgegangen sind, hatte jene von Stickoxiden durch den ständig wachsenden Verkehr zugenommen. Dies führte dazu, dass ab 1993 eine EU-weite Katalysatoren-Pflicht für alle Neuwagen eingeführt wurde.

Heute hat der Wald andere Probleme. Stickstoffverbindungen aus Nutztierhaltung und Abgasen verbreiten sich über die Luft und gelangen mit dem Regen in den Waldboden. Stickstoffdüngung ist in nährstoffarmen Äckern erwünscht, sonst aber überall schlecht. Gedüngte Bäume wachsen zu schnell und sie werden anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. Durch die Klimakatastrophe wird es wärmer und trockener, was die Vermehrung von Borkenkäfern begünstigt. Und für die Fichte wird es in den derzeitigen Monokulturen ohnehin zu warm.

1983 machte sich der Klimawandel mit einem Jahrhundertsommer (mit Temperaturen bis 40 Grad) schon bemerkbar. Leider erkannte auch Prof. Wrba damals noch nicht, dass dies ein Thema für den Biologieunterricht wäre. Aber an die Waldausstellung denken wir bei Klassentreffen noch stolz zurück.

© FranzForFuture 2021-05-23

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