Die Navy-Lady

Andreas Trimmel

von Andreas Trimmel

Story

Die Lady. Die ist immer mit dabei, wenn mein Kumpel Lars und ich unsere Runden drehen, wenn wir durch die Lande ziehen. Lars? Das ist mein treuer, deutscher Begleiter, der bringt mich sicher von da nach dort. Der Lars ist mein Wagen, mein Bolide, mein Passat.

Und die Lady, die is’ nicht irgendeine Lady, nein. Die ist bei der Navy. Obwohl sie noch nie auf einem Schiff war. Und Wasser hat sie auch nicht sonderlich gern – jedenfalls nicht unter sich. Und doch ist sie meine Navy-Lady, meine Navi-Lady. Die sagt mir wo’s lang geht, die zeigt mir den richtigen Weg. Meistens zumindest. Wenn ich sie zwischendurch mal verlasse, wenn ich mich wieder mal von ihr trenne, dann ist nämlich Sendepause, da ist sie dann pikiert, schmollt und gibt keinen Laut von sich. Wir haben ’ne Art Hop-On-Hop-Off-Beziehung – mal brauch’ ich sie, mal wieder nicht. Mal fühl’ ich mich sicher und geborgen bei ihr, mal geht sie mir gewaltig auf die Nerven. Und dann und wann steig’ ich aus und lass sie stehen. Sie selbst steht ohnehin mehr auf den Lars, mit dem hängt sie ständig ab, wenn ich nicht dabei bin. Jede Nacht stecken die beiden zusammen.

Manchmal hat sie einen leichten Befehlston drauf, die Lady. Doch selbst dabei bleibt sie höflich und freundlich – ohne aber zu lächeln. „In 200 Metern bitte links abbiegen“ Kurz darauf: „Jetzt links abbiegen.“ Und dann: „Wenn möglich bitte wenden“. Selbstredend, dass ich die Abzweigung verpasst habe. Absichtlich. Um zu sehen, wie sie reagiert, die Lady. Ladies sagt man ja bisweilen nach, „not amused“ zu sein, wenn man nicht tut, was sie einem sagen. Die können durchaus schon mal schnippisch reagieren oder die Klinge der Rache zücken, sagt man. Doch nicht so meine Lady, nein. Die bleibt freundlich und gelassen. „Wenn möglich bitte wenden.“ Gut, ich tu’ ihr den Gefallen. Wenn sie schon so nett bittet …

Ein anderes Mal meint sie „Ihre Route …“ – zum „Du“ konnten wir uns, trotz 11 gemeinsamer Jahre und unzähliger Wege mehr, noch nicht durchringen – „Ihre Route enthält Fährverbindungen“. Aha. Das war neu. Den Text kannte ich bis dahin noch nicht. Doch – was meint sie? Die einzigen Gewässer, die wir überwinden müssen, sind Pfützen vom letzten Regen. Und dafür … eine Fähre?? Oder meint sie das kleine, überbrückte Rinnsal, kurz vor dem Ziel? Für diese paar Tropfen Wasser wäre selbst die Bezeichnung „Bach“ bereits einer Krönung gleichgekommen. Fähre gibt’s da keine, wozu auch. Und wenn’s eine gäbe, dann würde mein Lars das eine Ufer noch nicht verlassen haben, wenn die Vorderreifen bereits am anderen anlandeten. Nein, die muss was anderes vorhaben, die Navi-Lady.

Ob sie einen Pakt mit Hades geschlossen hat? Und mich dezent und subtil zu Charon, dem Fährmann, lotsen soll, der mich dann für einen Obulus (von mir? oder der Lady?) über den Styx in die Unterwelt brächte? Wie perfide wär’ das denn?! Nein, das mag ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Nein, die ist sicher nur wo falsch abgebogen, die Lady. Oder halluziniert und wähnt sich an einem anderen Ort. Das wär’ nicht das erste Mal, auch ein anderes Mal verbreitete sie Fake-News. Oder machte sie nur ihrem Namen alle Ehre? Denn als ich damals auf das Display blickte, da …

Ich sah Blau – nichts als Blau. So weit das Display reichte. Die Navy – also doch.

© Andreas Trimmel 2023-07-28

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Abenteuerlich, Inspirierend