von Sonja M. Winkler
Das neue Sofa war ein gefundenes Fressen, aber was danach folgte, gibt mir Rätsel auf. Der Traum hängt jedenfalls mit Kafka zusammen, lief doch kürzlich in Ö1 eine Sendung über ihn, den gefinkelten Juristen, der bei der Unfallversicherung in Prag angestellt war und jeden Prozess gegen ungerechtfertigte Klagen gewann. Keinen einzigen verlor er. War mit allen Wassern gewaschen, tagsüber. Nächtens schrieb er, als sei er auf Drogen. „Das Urteil“ entstand in einer Nacht.
Das Sofa, ein gut erhaltenes Designerstück, fand ich auf Willhaben. Ein schlichter Dreisitzer, der Bezug aus grobem, grauem Leinen. Kein eintöniges Grau, sondern gesprenkelt. Pepper and Salt. Es gab mehrere Interessenten, doch ich hatte den Vogel abgeschossen. Ich befand mich in der Wohnung, um das Sitzmöbel zu begutachten. Der Wohnungsinhaber trug ein blütenweißes Hemd und eine dunkelgraue Hose mit Bug. Ich tippte auf Jurist. Die Ähnlichkeit mit Kafka war frappant.
Nicht zu übersehen waren die überdimensionierten Schrauben und Muttern, die auf dem Tisch lagen, zusammen mit einem Balken aus Holz, der Aussparungen in der Größe der Gewinde aufwies. Was es damit auf sich habe, die Frage lag mir auf der Zunge. Doch ich verkniff sie mir. Ich erkannte blitzschnell, dass das Stück Holz als Verstärkung für die Rückenlehne gedacht war. Kafka schien überrascht, als ich sogleich zur Tat schritt und ihn bat, mir beim Festziehen der Schrauben zur Hand zu gehen. Ich weiß nicht mehr, wie wir verblieben sind. Keine Ahnung, ob wir einen Liefertermin für das Sofa fixiert haben. Welche Adresse hätte ich denn angeben sollen? Die Besichtigung meiner zukünftigen Bleibe stand ja erst bevor.
Dunkelheit liegt über der Stadt, als ich mich auf den Weg mache, die Adresse zu suchen. Ich stehe vor einem Neubau. Hinter keinem der Fenster ist Licht. Es ist nachtschlafende Zeit. Ich steige in den Aufzug. Er fährt in die Höhe. Das Stockwerk, auf dem der Lift hält, ist hell erleuchtet. Wo bin ich da hingeraten? Was von außen als Wohnblock aussah, hat sich plötzlich verwandelt. Hier herrscht Partystimmung. An der Rezeption teilt man mir eine Zimmernummer zu. Ich habe mit einer Wohnung gerechnet und bin nun enttäuscht, als ich ein winziges Doppelzimmer betrete. Mein graues Sofa passt hier nicht hinein. Auf dem zweiten Bett liegt ein halb ausgepackter Koffer.
Ich eile zurück zur Rezeption und beschwere mich. In diesem Studentenheim gebe es keine Einzelzimmer, erfahre ich. Meine Mitbewohnerin, eine gesellige Rothaarige, stellt sich vor. Nur dass es klar ist, schärf ich ihr gleich ein, für mich ist’s mein Zweitstudium, das ich so rasch wie möglich abschließen will, also keine durchzechten Nächte, keine wilden Partys. Wir halten uns an die Corona-Regeln, sag ich, sonst mach ich kurzen Prozess. Die Studentin sieht mich entgeistert an. Ich merke, von Kafka hat sie keine Ahnung.
Als ich aufwache, wundere ich mich, warum ich im Traum so oft auf Wohnungssuche bin. Daran kiefle ich noch.
© Sonja M. Winkler 2021-05-13