von SusiBock
Immer wieder geistert das Schreckgespenst aller Untreuen durch die Medien: die Moral. Und weil einfach nicht reicht, kommt sie auch noch doppelt daher. Doppel-Moral bedeutet Beurteilung und Verurteilung des Handelns anderer, aber nicht des eigenen oder des Handelns von Personen, die man mag. Dass man bei sich selbst andere Maßstäbe anlegt, gleiches (unmoralisches) Verhalten bei der einen Person okay findet, bei der anderen nicht. Wasser predigt und Wein trinkt. Mit zweierlei Maß misst.
Was eigentlich ist moralisch? Wer definiert, was moralisch ist? Nun ja, es gibt natürlich eine begriffliche Definition: Das Wort Moral stammt aus dem Lateinischen und bedeutet Sitte. Der oft synonym verwendete Begriff der Ethik kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Charakter oder Sinnesart. Die Ethik bestimmt gewissermaßen, wie man die Moral lebt. Oder professioneller ausgedrückt: Die Moral ist die praktische Anwendung der Ethik (Quelle: Focus Online/Jonas Brandstetter).
Jedenfalls wird in unserem Land eifrig Moral gepredigt. Vor einigen Jahren traf der Zorn der rechtschaffenen Österreicher einen bekannten und bislang skandalfreien Moderator. Er wurde medial dafür geprügelt, dass er sich nicht so verhalten hatte, wie es der Durchschnittsösterreicher als moralisch empfindet. Man betrügt seine Frau doch nicht, und bitte schon gar nicht, wenn sie „eh so hübsch“ ist. Als wenn Schönheit der einzige Garant für ein glückliches Leben wäre.
Samuel Beckett sagte zur Moral so pointiert wie wahr: „Moralisten sind Menschen, die sich dort kratzen, wo es andere juckt.“ Auch als Moralapostel bekannt, die mit hoch erhobenem Zeigefinger predigen, was moralisch ist und was nicht, und nur allzu gerne auf jene zeigen, die sich nicht dementsprechend verhalten.
Die zentrale Frage der Moral also ist: Wie verhalten wir uns als soziale Lebewesen sittlich richtig? Gute Frage. Ich frage zurück: Wer kann das schon wissen? Wer legt die moralische Grenze fest? Was ist tolerabel und was nicht? Aber vor allem frage ich: Wer gibt uns das Recht, über das Verhalten anderer zu urteilen? Wie viele von uns haben ähnliches schon erlebt bzw. selbst getan? Und wie viele von uns wurden deshalb öffentlich verurteilt? Na, sehen Sie! Auch Prominente haben ein Recht auf Privatsphäre. Und ein Recht auf Toleranz. Und ein Recht auf ihr eigenes Leben. Nur weil ein Mensch in der Öffentlichkeit steht, hat niemand das Recht, ihn zu verurteilen. Punkt. Und schon gar nicht, ohne die Fakten zu kennen. Stellen Sie sich vor, ein Richter würde das tun.
Brechen wir also eine Lanze für die Menschen, die nicht perfekt, sondern eben einfach menschlich sind, mit all ihren Schwächen und Fehlern. Leben und leben lassen lautet die Devise. Daher: Packen Sie sich bei Ihrem eigenen Schopf. Nehmen Sie sich bei der Nase. Lassen Sie es gut sein. Heucheln Sie nicht. Und lassen Sie aus der Moral nicht Moralin werden.
Foto: Tobias Tullius/Unsplash
© SusiBock 2020-09-18