Haben Sie auch die Schnauze schon so voll von Schafen? Hier ein Schaf, dort ein Schaf, da drĂĽben ein Schaf. Ăśberall nur Schafe. Und mittendrin Sie. Irgendwann muss Schluss sein mit Schafen. Irgendwann reicht es einfach. Und dieses Irgendwann ist jetzt.
Sie haben sich geschworen: Nie mehr ein Schaf! […] Und da sitzen Sie nun. In einem netten, kleinen Lokal. Auf Ihrem Tisch steht eine sprudelnde Schartnerbombe – ein herrliches Getränk, um die Hitze des Tages zu vertreiben. Der Abend bringt eine entspannende Dämmerung mit sich. Die Vögel zwitschern noch ihren letzten Gruß. Um Sie herum fröhliche Gesichter ob des überstandenen Arbeitstages. Kein Schaf in Sicht. Gut so. Alles ist schön und friedlich. Bis – Bis Sie auf einmal in der Ferne etwas erblicken, das eindeutig sämtliche Äußerlichkeiten eines Schafes hat. „Nein!“, rufen Sie entschieden, „nicht schon wie- der!“ Der Nachbartisch beginnt zu kichern. Die haben ja leicht zu lachen.
Sie machen sich klein. Sehr klein. In Gedanken sind Sie schon gar nicht mehr anwesend, so klein sind Sie. Nichts und niemand wird Sie nun erblicken. „Alles gut, ich schaf das“, denken Sie und ärgern sich grĂĽndlich, da sich diese Schafe bereits in Ihren Wortschatz eingeschlichen haben. Plötzlich! Da! Hören Sie die Schritte? Das klingt nach kleinen Hufen! Nein! Und in Ihrer Panik bemerken Sie erst eine Zeit später, dass dieses Schaf nun direkt vor Ihnen steht. „Hallo, darf ich mich setzen?“ Das Schaf hat bereits den Sessel an ein StĂĽck nach hinten geschoben, um sich direkt gegenĂĽber vor Ihnen zu platzieren. „Nein“, wollen Sie sagen, nein, rufen, antworten jedoch hö ich „Bitte, gerne“, und versuchen insgeheim Ihre immer zuvorkommende Art. Jetzt ist die Misere perfekt. Vor Ihnen sitzt das Schaf. „Wie konnte das nur geschehen?“, fragen Sie sich, während das Schaf gegenĂĽber den treuherzigtsen und liebsten Blick auf- setzt, den Sie je gesehen haben. „Du fieses Schaf, ich kenne alle Tricks, mich kannst du nicht täuschen!“, durchströmt es Ihre Gedanken, während Ihr Herz plötzlich so weit und offen wird, so warm und hell, so voller Seelenfrieden und WohlgefĂĽhl. „Schön, dass wir uns endlich treffen“, fährt das Schaf fort, während Sie wortlos einen inneren Kampf durchfĂĽhren zwischen aufstehen und schreiend davonlaufen versus sitzenbleiben und abwarten. Und schon wieder steh Ihnen Ihre humanistische Bildung völlig im Weg, bei der Sie gelernt haben, dass Feigheit bereits bei den alten Griechen keine zu pflegende Tugend sei. Sie bleiben sitzen. Zugegeben – dass hier ein Schaf sitzt, ist nicht ganz zufällig. Eigentlich hatten Sie sich mit diesem Schaf verabredet. [……] Neugierig geworden? Meine ganze Geschichte und viele weitere findest du unter “Drava Verlag ”24 Ein-Schaf-Geschichten“ oder im guten Buchhandel.
© Anna Maurer (Derndorfer) 2021-03-23