von Barbara Prinz
Es war ein ganz normaler Arbeitstag. Alle Patiententermine waren erledigt, ich wollte gerade den Raum abschlieĂen, um meine Kollegen in einem anderen Bereich zu unterstĂŒtzen.
„Moment!“, hörte ich die Stimme von Dr. S., er eilte mir mit wehendem, weissen Mantel entgegen.
“ Wir erwarten einen Patienten von der Station, er wird gleich eintreffen, bitte bereiten Sie alles vor! Danke!“, sprach er und rauschte davon. Im Augenwinkel sah ich ihn noch die TĂŒre zur Ambulanz aufreissen, die dann krachend ins SchloĂ fiel. Nicht nur ich zuckte zusammen, auch die Anwesenden im Wartebereich erschraken wegen dem krĂ€ftigen „Rumps“. Rasch setzte ich mich mit der Station in Verbindung, und erklĂ€rte, dass mein Therapieraum bereits zur VerfĂŒgung stand.
In KĂŒrze konnte ich Herrn G., mitsamt Gattin, mit Dr. S. begrĂŒĂen. Erst nahm sich der Arzt Zeit fĂŒr die ErstaufklĂ€rung. WĂ€hrenddessen begann ich mit den konkreten Vorbereitungen. Bei einem kurzen Blick auf die Ehefrau des Patienten wurde mir bewusst, sie war mir bekannt. Nur konnte ich ihr Gesicht nicht meinem Bekanntenkreis zuordnen. Vielleicht irrte ich mich ja auch. Der Patient war sehr ruhig und geduldig. Seine Frau war ebenso die Ruhe in Person. Die Verbindung zwischen den beiden, das Einvernehmen, das Vertrauen in die nĂ€chsten Schritte, war entscheidend fĂŒr mein Tun. Zu helfen, den Genesungsprozess zu unterstĂŒtzen, das war mein Job. Mit allen mir zur VerfĂŒgung stehenden Mitteln. Der Arzt zeichnete noch den Therapieplan ab, somit hatte alles seine Ordnung und ich startete.
„Kann es sein, dass ich die Herrschaften kenne?“, fragte ich den Arzt. „Nein, das Paar kommt aus dem Ausland, sie können die beiden bestimmt nicht kennen!“, meinte Dr. S. Also belieĂ ich es dabei und erledigte meine Arbeit. Danach besprach ich mit der Ehefrau von Herrn G. den Plan fĂŒr die nĂ€chsten Tage. Ich fragte sie, ob sie noch Fragen habe, und ob sie im Haus bleiben wĂŒrde.
„Ja, klar, Danke, wir kommen eigentlich von weit her, aber G. wollte unbedingt nach Hause, als sich sein Zustand verschlechterte.“ Sie bemerkte meinen verwunderten Blick, schaute mir offen ins Gesicht, lĂ€chelte. Wahrlich konnte ich mir keinen Reim aus dieser Konstellation machen, aber war es wichtig zu hinterfragen? Schon wollte ich mich abwenden, um die Terminkarte fĂŒr Patienten Herrn G. zu holen, als sie leise einen Namen nannte. Es war der Name der Stadt, in der ich meine gesamte Kindheit verbracht hatte. Es riss mich herum, ich starrte sie völlig ĂŒberrascht an und sagte:“ Woher wissen Sie, ich meine, das ist völlig unmöglich, Sie sind doch…“. Ich verlor den Faden. Mein Herz machte SprĂŒnge, ich wusste es. Mein GefĂŒhl war richtig gewesen. Ich kannte sie. Die nette Frau war ĂŒberaus erfreut. Dann fragte sie nach meiner Familie. Das Wiedersehen nach so vielen Jahren (sie hatte mich das letzte Mal als Kind gesehen) war ein Geschenk. FĂŒr sie, Ihren Mann und mich. Wir umarmten uns fest.
Es war mir ein Trost, gerade zu dem Zeitpunkt am richtigen Ort zu sein.
© Barbara Prinz 2019-09-09