von Elisabeth Laback
Die ersten Blüten im Garten verströmten heuer schon früher als im letzten Jahr ihre Farben und Düfte. Und das noch dazu im Übermaß.
Es hatte genug geregnet in der Zeit, in der die Erde das Wasser brauchte, und dann war die Sonne stark genug gewesen um sie zu wärmen. Man wäre fast geneigt gewesen, die Bedingungen paradiesisch zu nennen.
Alle fühlten sich darin sehr wohl. Und auch sie, die Anderen, nahmen das Übermaß für sich in Anspruch. Schon rein rechnerisch konnte sich das nicht ausgehen.
Denn was war die Summe von Übermaß + Übermaß?
Zwei Übermaße gab es wohl nicht.
Und wer waren eigentlich die Anderen?
Mit diesen Überlegungen ging sie Tag für Tag am frühen Morgen mit Harke und Schere bewaffnet in ihren Garten und entfernte alles, was dort nicht wachsen sollte. Den Un-Kräutern, so meinte sie, müsste man gleich von Anfang an zu Leibe rücken, ansonsten würde man ihrer nicht mehr Herr werden können, und sie würden die Ihren aus ihrem eigenen Garten womöglich ganz verdrängen. Die Vorstellung, es könnten nur noch diese Anderen in ihrem Garten wachsen, ließ sie noch genauer hinschauen und noch exakter arbeiten.Und sie leistete gründliche Arbeit! Sie war zufrieden und betrachtete voll Genugtuung und Stolz das Ergebnis. Ein fein säuberlich ausgeputzter, blühender Garten lag vor ihr.Eines Morgens entdeckte sie zu ihrem Schrecken, ja sie war empört, dass sich Schlingpflanzen um ihre zarten Frühlingsblumen bis hinauf zur Blüte gewunden hatten.Wie konnte es ihr nur entgangen sein, wo sie doch so genau darauf geachtet hatte, die Störenfriede, die Schmarotzer rechtzeitig zu entdecken und zu entfernen..Aber manchmal kam es vor, dass sich diese Anderen derart anpassten , dass man sie von den Einen nicht mehr unterscheiden konnte. Sie war irritiert über ihre Unzulänglichkeit und fest entschlossen, ihren Fehler wieder gut zu machen. Ihr Garten sollte ihren eigenen Ansprüchen und auch denen der Konkurrenz aus der Nachbarschaft standhalten können.Ja! Sie wollte die enge Umschlingung ihrer ersten Frühlingsfreude in ihrem Garten mit diesen gewöhnlichen Ganzjahres – Schlingpflanzen nicht einfach so hinnehmen. Auch war sie überzeugt davon, dass den Blumen dadurch die Luft zum Atmen, und ihr die Freude am Garten genommen würde. Ziemlich unsanft begann sie Windung für Windung die Stängel abwärts die Umschlingung zu lösen.Um sicher zu gehen, dass man sie nicht noch einmal so hintergehen würde, harkte sie die Wurzeln dicht an den zarten Stängeln der Frühblüher aus und zog die Störenfriede, die Eindringlinge, die Schmarotzer aus der Erde.In ihrem Eifer hatte sie nicht darauf geachtet, dass den zarten ersten Boten des neuen Anfangs der Halt genommen war. Mit gesenktem Blütenkopf hatten sie nach dem Anderen Ausschau gehalten und ihm ihre Blütenblätter zur Erde hinab geschickt.
Was Gott zusammengefügt, soll der Mensch nicht trennen.
Sie hatte ihre Lektion für den nächsten neuen Anfang im Garten des Lebens gelernt.
© Elisabeth Laback 2021-03-13