Ein schrecklich nettes Duo

Florian Hauenschild

von Florian Hauenschild

Story

Ein kühler Septemberabend. Meine Mutter und meine hochschwangere Schwester sitzen in der Stube unseres Hauses und spielen Würfelpoker. Mein Vater und mein 9-jähriges Ich liegen im Wohnzimmer und schauen fern. Ich bin traurig, weil meine Schwester am kommenden Tag wieder in ihre Wohnung nach Villach fahren wird. Deshalb stelle ich mich schon den ganzen Abend krank und versuche damit Mitleid zu erregen. Einen armen kranken Bruder. Den kann man doch nicht alleine lassen! Aber mit dem Mitleid will’s nix werden. Im Gegenteil. Mama und Schwesterherz sind aufgrund der permanenten Jammerei ziemlich genervt. Irgendwann platzt dann meiner Mutter der Nerv: „Und wennst bis morgen früh weiterraunzt. Daniela fährt trotzdem heim. Wenn nicht gleich a Ruhe is, gehst ins Bett!“

Erbost über den undiplomatischen Ton beginne ich noch mehr zu leiden. So kann man doch nicht mit einem eingebildeten Kranken umgehen. Offensichtlich aber doch, denn kurz darauf werde ich mit einem A-Klasse Anschiss ins Bett geschickt. Und das an einem Samstag. Mit Tränen in den Augen putze ich mir die Zähne und verabschiede mich von meiner Schwester und dem Wesen in ihrem dicken Bauch. Letzte Jammerversuche werden vehement im Keim erstickt. Grantig stampfe ich ins Schlafzimmer. Das Gute am Kind sein ist, dass Ärger und Heulen sehr müde machen. Dementsprechend schlafe ich ziemlich schnell bummfest ein.

Als ich am nächsten Morgen wach werde, steckt noch ein Funken Traurigkeit, aber noch mehr Hunger in mir. Tramhappert schlurfe ich in die Küche, wo meine Mutter beim Telefon steht und freudig in den Hörer plappert. Als sie mich erblickt, strahlt sie mich an: „Guten Morgen, Herr Onkel!“

Ich erstarre. Völlig gelähmt bekomme ich gerade mal ein „Wirklich?“ heraus. Mama nickt. Meine Starre bricht. Ich springe jubelnd bis unter die Zimmerdecke. Ein Wahnsinn, wie schnell man gesund werden kann. „Ich werd der beste Onkel der Welt!“, brülle ich, während ich wie ein Besessener im Kreis renne.

Seit diesem Tag sind nun über zwanzig Jahre vergangen. Vor ein paar Wochen hatte mein Neffe seinen runden Geburtstag und den haben wir gebührend gefeiert. Ich denke heute noch oft an die vergangenen zwei Jahrzehnte zurück. An die Zeit, in der Schwesterherz und der Scheißer wieder nach Hause gezogen sind. An die schwere Zeit meiner Pubertät und an die ebenfalls schwere Zeit von Herrn Neffens Pubertät. An viele Sorgen, aber an noch mehr Gaudi und generell eine geile Zeit, die wir bisher miteinander hatten und die wir auch noch immer haben.

Er ist mehr als ein Neffe. Bruder trifft’s eher. Auch irgendwie ein Sohn. Auf jeden Fall sind wir ein großartiges Team. Julian und Florian. Die Hauenschild-Buam, wie man uns nennt.

Ob ich der beste Onkel der Welt geworden bin? Keine Ahnung. Ich bemühe mich zumindest. Was ich allerdings weiß, die Zukunft wird auf jeden Fall nicht fad, da keiner von uns alleine übrig bleiben wird. Da wird immer der andere da sein. Und das ist doch das Schönste, was man haben kann.

© Florian Hauenschild 2019-07-02

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