Emmi und der Regen

Susanne Paulus

von Susanne Paulus

Story
Österreich

Emmi ist ein fröhliches Mädchen, das gerne Späße macht. Besonders gut kann sie etwas Lustiges sagen und dabei ganz ernst dreinschauen. Wenn die Menschen darüber lachen können, freut sie sich. Ob das in der Schule auch funktioniert, wird sich herausstellen. Bald kommt sie in die erste Klasse! Ihr braunes Haar trägt Emmi oft zu einem lustigen Pferdeschwanz zusammengebunden, der immer wackelt, wenn sie herumhüpft. Dabei glänzen ihre dunklen Augen wie die Schokoglasur einer Sachertorte. Emmi spielt gerne draußen im Freien, am liebsten auf einer Wiese oder im Wald. Dort trifft sie sich mit ihren „heimlichen“ Freunden: mit Tanne Theo, Fichte Lise, Buche Suse und Eiche Erich. Es muss ja nicht jeder wissen, dass sie sich mit Bäumen unterhält. Jeder Baumfreund hat seine eigene Stimme und Sprache, wenn er sich im Wind wiegt und sein Laub rascheln lässt. Emmi versteht sie alle. Und sie lauschen geduldig und wissend Emmis Erzählungen und Geheimnissen.

Wer so gern draußen ist, möchte natürlich schönes Wetter. Deshalb ist Emmi schlecht gelaunt, wenn es regnet. Dann steht sie am Fenster und schaut den Regentropfen zu, wie sie auf der Straße hüpfen, gegen die Fensterscheibe prasseln und auf der Straße kleine Bäche und Pfützen entstehen lassen. Emmi ist sauer. Sie schaut wieder ganz böse, aber diesmal wirklich, nicht zum Spaß. Sie sagt auch nichts Lustiges, danach ist ihr gar nicht zumute. „Ich hasse den Regen!“, schimpft sie. „Wie soll ich jetzt draußen spielen? Wieso regnet es überhaupt? Ich will, dass die Sonne scheint! Jetzt gleich!“. Sie wird immer zorniger und beginnt sogar zu weinen. Aber das nützt nichts, das Glucksen und Plätschern des Regens draußen geht munter weiter. „Was will mir der Regen sagen?“, überlegt Emma, wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und tritt wieder ans Fenster. Sie merkt, wie die Blumen ihre Köpfchen hochstrecken, um möglichst viel von dem herrlichen Himmelswasser abzubekommen und endlich ihren Durst stillen zu können. Sie sind ganz ausgetrocknet, und ihre Blätter hängen müde und erschöpft herab. Die Bäume und Sträucher breiten zufrieden ihre Äste aus und lassen sich ihre staubigen Blätter vom weichen Regenwasser abduschen, sodass sie nun herrlich glänzen. Grashalme, die durch die Trockenheit braun geworden sind, richten sich langsam auf und sehen auf einmal viel frischer aus, seit der Regen die Erde wieder schön weich und feucht gemacht hat.

Da fällt Emmi ein, dass auch ihre Mama im Sommer, wenn es sehr heiß ist, jeden Tag mit der Gießkanne auf der Terrasse und im Garten von Pflanze zu Pflanze geht und sie gießt. Auch Emmi hat dabei schon geholfen. Sie versteht jetzt, dass der Regen wie eine riesige Gießkanne die Pflanzen und Tiere mit Wasser versorgt. Schnell schlüpft sie in Regenjacke und Gummistiefel und läuft hinaus in den Garten. Dort tanzt sie ausgelassen im Regen, breitet wie die Blumen, Bäume und Sträucher ihre Arme aus und dreht sich im Kreis. Dass ein paar Regentropfen auf ihrer Nasenspitze landen, stört sie überhaupt nicht. Glücklich singt sie dabei das Regenlied „Es regnet, es regnet, es regnet seinen Lauf! Und wenn’s genug geregnet hat, dann hört es wieder auf.“ Die ganze Familie versammelt sich auf der Terrasse, und als sie Emmi so fröhlich im Regen tanzen und singen sehen, lachen alle und freuen sich mit ihr über den strömenden Regen.

© Susanne Paulus 2025-11-06

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Anthologien
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