von Christine Wagner
SpaziergÀnge kommen wieder in Mode. Mangels Alternativen weichen viele Menschen auf diese Freizeit- und BewegungsbeschÀftigung aus.
Wir haben eine persönliche Trainerin, die uns stets regelmĂ€Ăig zum Spazieren gehen motiviert, unsere dreijĂ€hrige Goldi-Spitz-Mix-HĂŒndin Sury. Sie sorgt dafĂŒr, dass die Familie regelmĂ€Ăig SpaziergĂ€nge unternimmt, nicht nur dann, wenn es kaum etwas anderes zu tun gibt.
Sowohl privat als auch beruflich war es mir möglich, mich von der Stressgesellschaft zu distanzieren. Ich konnte mein Leben ist so organisieren, dass ich nicht mehr gezwungen bin, beim russischen Roulette fĂŒr Burnout, Bluthochdruck und Herzinfarkt mitzuspielen. Entschleunigung ist fĂŒr mich nicht nur ein Wort, ich lebe sie.
Dennoch verÀndert sich gegenwÀrtig die QualitÀt unserer SpaziergÀnge.
Sury und ich wandern jetzt noch entspannter unsere Wege entlang. Viele Gedanken gehen mir dabei durch den Kopf und viele GerĂŒche durch Suryâs Nase. Ich gönne ihr noch mehr Zeit zu schnuppern, zu graben und sich zu wĂ€lzen (meist an der dreckigsten Stelle) und mir, die Wege noch genauer zu betrachten.
Neben schön geformten Steinen, schnörkelig wachsenden Pflanzen, MĂŒll, den ich zum Teil in MistkĂŒbel werfe, fallen mir viele leere SchneckenhĂ€user auf. âHĂŒbsch sehen die ausâ, denke ich. Weil ich eine Sammlerin bin, beginne ich sie aufzuheben und einzustecken.
Erstaunt darĂŒber, wie unterschiedlich die leeren SchneckenhĂ€user doch gezeichnet und geformt sind, beschlieĂe ich zu Hause, sie zu sĂ€ubern und anzumalen.
Kreativ bin ich, doch Genauigkeit ist eine meiner SchwĂ€chen. Grobe ZĂŒge, krĂ€ftige Farben, kreuz und quer mit viel Schwung, das ist meine StĂ€rke.
Und jetzt liegt da eine so kleine gedrehte âLeinwandâ vor mir, die förmlich nach schönen Details schreit. Erstaunlicherweise höre ich es.
Ich male kleine Punkte und Striche, lasse die Farbe trocknen bevor ich mit der nĂ€chsten beginne und teilweise zeichne ich sogar EntwĂŒrfe. Mit jeder weiteren Schnecke werde ich genauer und prĂ€ziser. Ich entspanne dabei und genieĂe es, mit Bedacht vorzugehen und meine HĂ€nde und Finger ganz vorsichtig zu fĂŒhren.
Ich schmunzle vor mich hin bei dem Gedanken: âSo lehren mich Schnecken das VergnĂŒgen am Langsam seinâ. Ich nenne mein Kunstwerk Entschleunigungs-Schnecken â ich schmunzle noch mehr. Denn diese Wortkreation birgt auch das Gegenteil in sich.
© Christine Wagner 2020-05-07