von Gino Dola
Es ist nicht so, dass ich sie erst seit kurzem kenne. Schon letztes Jahr war sie bei mir, auch das Jahr davor, aber sie nervt mich nur noch. Beinahe tĂ€glich keimt der nun hasserfĂŒllte Gedanke, sie loszuwerden in mir empor. Jede Nacht ist es dasselbe Spiel, ich ertrage ihren Umriss einfach nicht mehr. WĂŒtend wĂ€lze ich mich aus meinem Bett heraus, stehe nur mit meinem schwarzen T-Shirt und einer Unterhose bekleidet auf dem Balkon. Hastig ziehe ich an meiner Zigarette, die Glut erhellt die Nacht vor mir einige Sekunden, wĂ€hrend meine Gedanken einen dĂŒsteren Film abspielen. Was wĂ€re, wenn ich sie einfach â ich schĂŒttele den Kopf. Bist du wahnsinnig geworden, denke ich erschrocken ĂŒber mich selbst. Ich seufze, stecke mir noch eine Zigarette in den Mund und schaue dem blauen Dunst nach, welcher sich nach und nach auf den Weg zu den Sternen macht. Meine Lage scheint ausweglos, sie widert mich nur noch an â mittlerweile. Vor ein paar Wochen noch war es schön mit ihr, aneinander gekuschelt lagen wir im Bett, sie wĂ€rmte mich sanft. Doch jetzt hasse ich sie! Grundlos, wie mir scheint, denn ganz gleich, wie tief ich in mir grabe, einen handfesten Auslöser fĂŒr meine Wut kann ich kaum finden. Ich schlieĂe die BalkontĂŒr, gebe mir dabei nicht sonderlich viel MĂŒhe, leise zu sein. »Mir doch egal«, murmle ich in meinen Bart. Wenn ich schon daran denke, wie sie dort in meinem Bett liegt, wird mir ganz anders. Das ist mein Bett, verdammt. »Ich werfe sie raus!«, flĂŒster‘ ich entschlossen. Ich ertrage ihren Anblick so oder so nicht mehr, wir â geben uns einfach nichts mehr. Mein Puls rast, wenige Schritte trennen mich und mein Schlafzimmer noch. Im Flur fĂ€llt mein Blick auf die rosafarbene Wanduhr, drei Uhr siebzehn. »Meine GĂŒte, es ist mitten in der Nacht«, hauche ich. Das Haus, in dem sich auch meine Wohnung befindet, ist so still, als wĂŒrde es auf einem Friedhof liegen; alle Nachbarn schlafen bereits seit Stunden. Mehr und mehr Wut keimt in mir. »Ich will auch schlafen!«, platzt es aus mir heraus. Ich stampfe ins Schlafzimmer, der Puls hĂ€mmert in meinen Ohren, mein Blick trifft auf ihr Antlitz. Unversehens ĂŒberkommt es mich, ich kann weder mich noch meine GefĂŒhle kontrollieren oder gar zurĂŒckhalten. Ich presche geradezu auf sie zu, springe in mein Bett und wĂŒrge sie immer wieder, als wĂ€re sie ein Monster, das ich um jeden Preis aufhalten muss. Ich schlage auf sie ein, links und rechts, noch eine von links. »Du nervst mich«, brĂŒlle ich sie an, »Du nervst mich so sehr!« Regungslos, vollkommen ohne einen Ton von sich zu geben, sackt sie in sich zusammen. Ich hatte angenommen meine Wut wĂŒrde nachlassen, doch zu meinem eigenen Entsetzen wurden meine GefĂŒhle nur matter, die Wut stieg hingegen stetig bei diesem Anblick. »ScheiĂe!«, schreie ich in den Raum und verpasse ihr noch einen Tritt. Das war’s. Stille â ich lasse mich fallen, nach diesem kurzen aber heftigen Kampf liege ich rĂŒcklings auf meiner Matratze. Ich starre der weiĂen Zimmerdecke entgegen, einige Flusen taumeln nach dem Geraufe aufgeregt durch die Luft. »Endlich«, schnaube ich erleichtert. Beinahe tonlos fĂ€llt die leblose Masse aus meinem Bett heraus. »Da gehörst du hin«, stelle ich triumphierend fest. »Ich konnte deine WĂ€rme sowieso nie ertragen!« Erschöpft gebe ich mich meinen Gedanken hin, denke darĂŒber nach, mir eine neue Bettdecke zu kaufen. Eine Bettdecke, die nicht so warm ist im Sommer. »Bis dahin schlafe ich ohne dich«, betrachte ich die Bettdecke, die nun völlig reglos neben meinem Bett liegt.
© Gino Dola 2024-05-23