Familie Petrey

Eva Filice

von Eva Filice

Story
Kittsee 1965

Ich hatte das unsagbare GlĂŒck in einer liebevollen Familie wertvolle Erfahrungen machen zu dĂŒrfen. Das spĂŒre ich seit fast 75 Jahren. Meine Mama trat nach der Hochzeit mit meinem Papa 1949 als 25-JĂ€hrige in einen neuen Familienverband ein. Mein Papa kehrte 1946 aus der englischen Kriegsgefangenschaft zurĂŒck. Sein jĂŒngerer Bruder Martin kam erst 1950 aus russischer Gefangenschaft, geprĂ€gt von den unsagbaren Erfahrungen, nach Hause. Da traf er neben seinen Eltern die junge Familie seines Bruders an. Ich war einige Wochen alt.

Meine Omama verlor bereits im Ersten Weltkrieg ihren Mann, den Vater der beiden Töchter: Mimi, geboren 1913, und Ella, geboren 1916. In dieser Zeit als Frau ohne Arbeit zwei Kleinkinder am Leben zu erhalten, war eine mĂŒhselige Belastung. Omama, die damals mit ihren beiden kleinen MĂ€dchen in Pressburg lebte, wurde verkuppelt, wie sie immer erzĂ€hlte. „Mate (Matthias) war ein fescher und anstĂ€ndiger Mann“, betonte sie bei der vereinfachten BegrĂŒndung fĂŒr ihre Entscheidung meinen Großvater zu heiraten. Doch auch die MĂ€dchen betonten, dass ihr Stiefvater sie immer wie ein „richtiger Vater“ behandelt hatte. Omama kam nach Kittsee und fĂŒhrte mit Otata den Bauernhof in der Halbwirtschaft. Mein Papa, gerufen Pistau, wurde 1922 geboren, und drei Jahre spĂ€ter kam sein Bruder Martin zur Welt. Die nun 6-köpfige Familie betrieb einen kleinen Bauernhof und fand ihr Auskommen in einer Halbwirtschaft.

Als ich Ende 1949 und meine Schwester Anfang 1954 geboren wurden, wohnten wir im alten Haus. 1956 gelang es meine Eltern ein Haus am Hauptplatz zu kaufen und dort neu zu bauen. Meine Mama lebt noch heute dort. Das Foto zeigt die Familie ohne Eva, denn ich war 1965 im Internat in Eisenstadt. Omama und Otata, Mama und Papa sowie meine Schwester Lucy wurden von einem Freund der Familie fotografiert. Der Teil des Hauses auf dem Foto wurde 1970 neu gebaut. Beim Anblick des Fotos erinnere ich mich an jene Zeit, als unsere Familie noch vollstÀndig war.

Mein Großvater, von uns Otata gerufen, war ein ruhiger und arbeitsamer Mann, allerdings ein liebevoller BrummbĂ€r, wenn Papa sich seinem Arbeitsrhythmus nicht anschloss. Er starb mit 88 Jahren an einem Abend im JĂ€nner, nachdem er tagsĂŒber Holz zum Heizen zerkleinert hatte. Omama war sehr arbeitsam, kochte gut und arbeitete auch im Garten. Die Enkelkinder spielten sehr gerne mit ihr; fĂŒr sie war sie Polizistin, Sandkastengespielin und auch Akteurin beim Theaterspielen. Knapp vor ihrem Tod drehte sie noch ein kleines TĂ€nzchen mit dem BrĂ€utigam, als ihr Enkel Martin heiratete. Sie hat uns mit 93 Jahren verlassen, musste einer Tochter, einem Schwiegersohn, einer Enkelin „ins Grab nachschauen“, wie sie schmerzvoll beklagte. Doch acht Enkelkinder, sieben Ur-Enkelkinder und sogar ein Urur-Enkelkind zĂ€hlten zu ihren Lieblingen.

Tragisch und unvorstellbar bis heute endete das Leben meiner Schwester, die als 19-JĂ€hrige bei einem Autounfall ums Leben kam. Das brachte eine ZĂ€sur in meine Familie. Nichts war mehr wie vorher. 19 Jahre spĂ€ter, mein Vater fuhr mit dem Fahrrad zum BĂ€cker, um GebĂ€ck fĂŒr das FrĂŒhstĂŒck zu holen, wurde er von einem niederlĂ€ndischen Auto erfasst, er starb wenige Stunden danach. Unfassbar und auf das Warum gibt es bis heute keine Antwort.

© Eva Filice 2024-08-02

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