Fassleben

Anna Fock

von Anna Fock

Story

„Diogenes lebte in einem Fass, um den Verzicht und das Nichtstun zu lehren.“ Damit befasste ich mich während meines Postdocs in Philosophie. Mein Gehirn war schon Matsch, während ich schrieb, seufzte und weiter forschte. Mein Forschungsansatz war nicht nur philosophisch, sondern auch soziologisch: „Wie fühlt sich ein Mensch, der in einem Fass wohnt und Meister des Nichtstuns wird?“ Meine Befragung zur Lösung der Forschungsfrage scheiterte kläglich. Während ich Menschen traf, die nichts taten, hatten doch alle wenigstens ein Dach über dem Kopf und niemand lebte in einem Fass. Während ich diese Menschen traf, bemerkte ich, dass auch diejenigen, die behaupteten nichts zu tun, am Ende doch etwas taten. Wahrscheinlich musste zuerst das Nichtstun genauer definiert werden. Und weil ich Diogenes nicht mehr fragen konnte, wagte ich den Selbstversuch.

Tag 1: Ich stellte mein Fass an den Fluss unweit meines normalen Zuhauses mit dem normalen Leben. Nichts passierte.

Tag 2: Ein Adler umkreiste das Fass.

Tag 3: Nichts passierte.

Tag 4: Die Langeweile übermannte mich und ich stahl eine Kippe.

Tag 5: -.

Tag 6: Mein selbst gemischter Brei aus Hafer und Flusswasser hing mir zum Hals raus.

Und so vergingen zwei Wochen.

Fazit: Nichtstun ist anstrengend und mit meinem Selbstversuch gewann ich 1000 € in einem Ideenwettbewerb. 1000 € fürs Nichtstun, das widerstrebte jeglicher Eigenlogik. Und nachdem das Fass längere Zeit unbewohnt war, passierte noch etwas: Jemand strich es rosa und darin fand ich einen verbeulten Helm. Aus der Forschungsarbeit wurde nichts und so drehte ich einen Clip über den Selbstversuch und spendete das rosa Fass an eine Destillerie: Mein Eigengeruch wurde vom Schnaps übertüncht. Und dieser schwimmt jetzt irgendwo auf einem Schiff im endlosen Ozean.


© Anna Fock 2025-02-14

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Komisch, Reflektierend
Hashtags