von Mark Rotman
„Stefan! Stefan?“
Ich drehe mich zum Bett: „Was ist los, Frau Schuhbeck?“ – „Ah… Ist das kalt!“
Eine ältere Frau liegt auf einer Intensivstation. Die Dame ist etwas realitätsfremd und spricht oft mit sich selbst. Ich decke sie mit einer warmen Decke zu und wickle sie richtig ein.
„Besser, Frau Schuhbeck? “ – „Ja… Wann kommt denn Ihr Sohn?“ – „Ich glaube, heute schafft er das nicht.“ – „Ach… Ich bin durstig!“ Die Frau trinkt langsam durch den Strohhalm und schluckt schwer. Dann schläft sie wieder ein. Nach ein paar Wochen wurde sie auf eine normale Station verlegt. Sie konnte selbständig essen und lächelte, wenn man sie begrüßte.
„Sebastian!“ – „Ja, Frau Schuhbeck?“ – „Ich möchte einen Spaziergang machen.“
Ich setze die Patientin auf einen Stuhl und wir gehen den Flur entlang. „Schauen Sie sich mal die Schönheit draußen an! Ist das nicht toll? Ein echter Winter.“ – „Ja. Es ist wunderschön.“ – „Mögen Sie den Winter?“ – „Ja, sehr.“ – „Ich liebe ihn auch! Dieses Wetter erinnert mich an Weihnachten. Erinnern Sie sich an den Winter vor dem letzten Jahr? Knietiefe Schneewehen! Sogar in Russland gab es schon lange keinen solchen Winter mehr.“ – „Ja. Ich erinnere mich, es war sehr schön.“
Die Frau schaut aus dem Fenster. Der Schnee fällt langsam auf die Dächer der Autos, bedeckt den nassen Asphalt mit einer weißen Decke und wirft spielerisch stachelige Schneeflocken in die Gesichter der Passanten.
„Schade, dass wir jetzt nicht spazieren gehen können, nicht wahr?“, ich seufze. „Wollen wir dem Winter lauschen, Frau Schuhbeck?“
Die Dame nickt zustimmend mit dem Kopf und lächelt schwach. Ich öffne das Fenster. Autos rasen auf der feuchten Straße vorbei, ihre Räder knattern. Irgendwo in der Ferne lacht ein Kind. Die Krankenschwestern diskutieren lebhaft etwas am Eingang. Eine Schneedecke bedeckt langsam den Boden. Die Dame betrachtet den Schneefall mit brennenden Augen.
„Es ist kalt“, sagt sie leise. Ich drehe den Knopf und das Zimmer ist wieder still. Nur das Wasser plätschert leise im Sauerstoffinhalator.
„Möchten Sie sich hinlegen?“ – „Ja, bitte“, nickt die Patientin. Ihr unterer Rücken beginnt vom langen Sitzen zu schmerzen. Ich lege sie auf das Bett und wickle sie mit einer Decke gut ein. In den letzten Tagen hat sie begonnen, mich zu erkennen. Sie konnte sich nie meinen Namen merken: Ich war Felix, Sebastian und Stefan zugleich. Sie hatte sehr trockene Haut, und ich habe ihre Füße zweimal täglich mit Feuchtigkeitscreme eingecremt. Eines Morgens bemerkte ich, dass sich ihre Haut deutlich verbessert hatte.
„Frau Schubeck, Ihre Beine sehen heute toll aus! Die Haut eines 20-jährigen Mädchens!“, lächere ich. Die Dame lacht und errötet ein wenig. Morgen wird sie meinen Namen wieder vergessen und ein wenig traurig sein. Ich wickle sie in eine Decke ein und ziehe die Ecke bis zur Brust: Sie kuschelt sich im Schlaf gerne daran.
© Mark Rotman 2023-08-20