Gewissen

Franziska Spenner

von Franziska Spenner

Story

Gebe ich das Wort in die beliebteste Suchmaschine der Welt ein, werden mir circa 85.500.000 Ergebnisse präsentiert. Der erste Beitrag stammt aus dem Duden und erklärt das Wort als ein neutrales Substantiv mit der Definition: „ethisch begründetes Bewusstsein von Gut und Böse“

Hast du heute ein gutes oder schlechtes Gewissen?

Ich tendiere eher zu letzterem. Ich liege zu Hause und bin krank. Das letzte Mal war ich exakt vor einem Jahr krank. Es scheint mich also einzuholen. Erst neulich habe ich gelesen, was dir einmal passiert, das passiert dir kein zweites Mal, aber wenn es dir ein zweites Mal passiert, dann wird es dich noch häufiger ereilen oder so ähnlich. Ich kann diese Situation von zwei Seiten betrachten. Durch die Augen der gesellschaftlichen Brille fühle ich mich schlecht und faul. Außerdem habe ich zu viel gegessen und zu viel fern gesehen, obwohl ich doch krank bin. Ich dürfte doch eigentlich nichts tun, außer mich langweilen, weil ich gerade meiner gesellschaftlichen Pflicht, die der Sozialstaat in dem ich lebe, von mir verlangt, nicht nachgehe. Mit Blick auf mich als einzigartiges Individuum habe ich ein gutes Gewissen, weil ich auf meinen Körper und seine Bedarfe gehört habe. Nicht ganz freiwillig, das muss ich an dieser Stelle einräumen. Ich habe sogar ein Lob dafür erhalten, dass ich mich dazu entschieden habe, heute das Bett zu hüten und nachdem ich meine Chefin informiert hatte, dass ich heute nicht komme, wurde mir direkt auch für morgen verpflichtend das Krankenbett hergerichtet. Also sind eigentlich alle okay mit meinem Fernbleiben und Verweilen unter der Bettdecke, außer eben mein Blick durch die gesellschaftliche Brille. Warum ist das so? Wann habe ich damit angefangen mich schlecht zu fühlen, weil ich krank bin? Solange ich mich zurückerinnern kann, würde ich sagen, dass das schon immer so gewesen ist. Ehrlicherweise muss ich mir eingestehen, dass mir da vielleicht auch mein manchmal etwas zu großes Ego den Rücken stärkt, weil ich denke, dass ohne mich sowieso nichts funktioniert. Fehlanzeige! Ich werde gebraucht, aber nicht zwingend und daher sich die Erde offensichtlich weiter dreht, ist die Welt bis jetzt noch nicht untergegangen. Wobei es doch schon sehr danach aussieht, wenn ich bedenke, dass es kurz nach 16 Uhr ist und schon finster wird.

Dieses Eingeständnis in Bezug auf mein Ego hat mir zu der Erkenntnis verholfen, dass nicht andere Menschen dafür verantwortlich sind mir ein gutes oder schlechtes Gewissen zu bescheren, sondern dass ich ganz allein dafür verantwortlich bin. Es ist so schade, dass ich nicht einmal zu Hause krank im Bett liegen und alle Macht abgeben kann, weil ich das Zentrum dieser Macht bin. Mit dieser Erkenntnis werde ich aber wiederum positiv gestimmt aus diesem Krankenlager von dannen ziehen, weil ich weiß, dass mir niemand mein Gewissen und damit im Einklang meinen Blick auf die Welt vermiesen kann, weil ich ganz allein entscheide, was das Gute und Böse in meinem Leben ist.

© Franziska Spenner 2022-11-17

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