von Ronja B
Um die Buchstabenmaus ranken sich Geschichten und Legenden. Jeder in der kleinen Stadt hatte schon mal von ihr gehört. Die Gerüchte um die mysteriöse Maus hatten bereits vielen Formen angenommen. Je nachdem, wen man fragte, hörte man die unterschiedlichsten Erzählungen, über die Maus und ihre gräulichen Taten. In den Geschichten war von scharfen Zähnen und Krallen, einer gruseligen Maske und hinterhältigen Diebstählen die Rede. Manche berichteten, dass sie höchst gefährlich war, vielleicht sogar verrückt. Aber wie das mit Geschichten, die von Ohr zu Ohr weitergetragen werden so ist, konnte irgendwann niemand mehr sicher sein, was nun stimmte und was nur ausgedacht war, um kleinen Kindern einen Schrecken einzujagen.
Die Frage, wer denn jetzt die Buchstabenmaus war, ist also gar nicht so leicht zu klären. Erzählungen und die Wirklichkeit waren inzwischen so miteinander verwoben, dass es einiges an Entknotungsarbeit kosten wird, um dieses Rätsel zu lösen. Aber es gibt einen, der kann nur zu gut davon berichten, was die Buchstabenmaus so treibt, denn vermutlich hat niemand so sehr unter dem Übeltäter gelitten:
Bestimmt habt ihr schon mal von der Leseratte gehört; ein kleiner Nager, der seine spitze Nase am liebsten den ganzen Tag zwischen Buchseiten versteckt. Sie trägt eine kleine Brille mit runden Gläsern, einen grünen Mantel mit goldenen Knöpfen und einen roten Schal. Die Leseratte wünscht sich nichts mehr, als von morgens bis abends ungestört zu lesen, am liebsten mit einer dampfend heißen Tassen Früchte-Tee in den Pfoten und in eine kuschelige Wolldecke gewickelt. Auch ein Teller Schokoladenkekse auf dem kleinen Tisch neben dem großen Sessel durfte nicht fehlen. Wenn die Leseratte eines in ihrem Leben erreicht hatte, dann ihre Lese-Umgebung zu perfektionieren. Die Ratte hatte eine Vorliebe für alles, was sich gedruckt zwischen zwei Seiten finden ließ. Von kitschigem Liebesroman, über gruselige Kriminalgeschichten, bis zu spannenden Sachbüchern, es gab nichts, was unseren kleinen Freund glücklicher machte. Wenn die Ratte nicht am Lesen war, verbrachte sie ihre Zeit gerade höchstwahrscheinlich damit, verwinkelte Buchgeschäfte zu durchstöbern, auf der Suche nach einem Buch, dass ihr bisher noch nicht in die Pfoten geraten war. Manche sagten, dass die Leseratte ein Einzelgänger war, sehr gebildet aber kaum außerhalb ihres Hauses zu sehen, wenn man von den gelegentlichen Besuchen in die Bücherei oder die Buchhandlung absah. Auch wenn sie es vorzog ihre Zeit zu Hause zu verbringen, war die Leseratte stets ein freundlicher Zeitgenosse, der jeden freundlichen grüßte.
© Ronja B 2023-08-30