KAPITEL 3

Serina M

von Serina M

Story

Nach Feierabend stürmte Yara nach unten, riss sich die Schürze vom Leib und griff nach ihrer Jacke. Heute musste sie mit Matilda den Laden schließen, und sie wollte keinen Moment länger bleiben. Matilda war nicht direkt fies, doch Yara hasste es, beobachtet zu werden. Noch schlimmer war das Gefühl, nicht gemocht zu werden.
Egal, wie sehr sie sich einredete, dass es unwichtig sei, was andere von ihr dachten – wenn jemand enttäuscht von ihr war oder sie im falschen Ton ansprach, nagte das an ihr wie eine Krankheit. Noch schlimmer war die Unsicherheit: War es wirklich die Meinung der anderen, oder verurteilte sie sich selbst?
Allein dieser Gedanke machte sie wütend. Mitleid mit sich selbst war das Letzte, was sie wollte. Entweder man machte etwas besser – oder man ließ es. Alles andere erschien ihr armselig. Um die Gedanken abzuschütteln, lief Yara wieder nach oben, verabschiedete sich kurz und trat in die kühle Nacht. Auf dem Heimweg fischte sie ihr Handy aus der Tasche. Sie redete sich ein, es sei sicherer, beim Laufen zu telefonieren, doch eigentlich wollte sie einfach nur Gesellschaft. Irgendjemanden, der da war.

Beeb. Beeb.

„Hallo?“

Liz, ihre beste Freundin, klang verschlafen. Yara atmete auf.

„Hi… ich bin gerade von der Arbeit los. Was machst du?“ Sie plapperte drauflos, bemĂĽhte sich, unterhaltsam zu klingen, so wie immer, wenn sie Angst hatte, jemandem zur Last zu fallen.
Liz murmelte, dass sie müde sei und bald schlafen wolle. Ein Anflug von Panik ergriff Yara. Wenn Liz auflegte, blieb nur noch ihre Cousine, die selten ranging – oder ihre Mutter, bei der sie sich oft unsichtbar fühlte. Yara setzte alles daran, das Gespräch am Laufen zu halten, spielte die Entertainerin, erzählte Anekdoten aus dem Café. Doch Liz war sanft, aber bestimmt: Sie müsse schlafen.
„Bleibst du noch kurz dran? Ich hab echt Angst, allein nach Hause zu laufen“, sagte Yara schnell. Liz verstand – und blieb.
Während Liz nun selbst zu erzählen begann, lauschte Yara, machte Witze, brachte ihre Freundin zum Lachen. Gleichzeitig nagte das schlechte Gewissen an ihr.
Sie wusste: Es ging nicht wirklich um Angst. Früher war sie oft nachts allein durch dunkle Straßen gelaufen. Sie war vorsichtig, ja – aber sie hatte gelernt, keine Panik zu haben. In Wahrheit suchte sie keine Sicherheit. Sie suchte Nähe. Und so lief Yara durch die Nacht, das Handy ans Ohr gedrückt, mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen. Vielleicht konnte ein Anruf sie nicht vor echten Gefahren schützen. Aber er konnte das tun, was Yara in diesem Moment am meisten brauchte: verhindern, dass sie sich allein fühlte.

Und das war manchmal mehr wert als jeder Schutz auf der Welt.


© Serina M 2025-04-26

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Dunkel, Emotional, Reflektierend
Hashtags