Komm da nich‘ mehr so gut raus

Alex-Schlatz

von Alex-Schlatz

Story

Das verdammte Handy klingelt. Es klingelt. Und es hört auch gar nich‘ mehr auf zu klingeln. Gottverdammt. Als hĂ€tt‘ ich nich‘ lang genug dafĂŒr gearbeitet, um all meine abscheuliche Familie grundsĂ€tzlich zu verscheuchen! Scheiße. Ich mein‘, habt‘ ihr schon ein‘ einzigen aufrechten Satz ĂŒber meine Familie gelesen?

Dacht‘ ich mir.

Ich heb ab.

Die Stimme am anderen Ende der Leitung erzĂ€hlt, dass mein Papa ein‘ Schlaganfall erlitten hat. Schuld ist anscheinend irgendein beschissenes Loch im Herz, durch das kleine körperinterne Krusten in den das Gehirn mit Blut versorgenden Kreislauf eindringen. Um dort im Gehirn dann stecken zu bleiben.

Ich weiß, was ihr jetzt denkt. Aber nein, keine Angst, meiner Stiefmutter gehts prĂ€chtig.

Die Ärzte sind jetzt sehr konkret. “Bei einem Schlaganfall kann alles passieren.” Ich bezweifle das, doch lasse sie weiterreden. Sie mĂŒssen das tun. Sie sind so Menschen. “Vielleicht lispelst du danach nur ein bisschen, vielleicht spielst du nicht mehr flĂŒssig „Aber Bitte Mit Sahne“ am Klavier, vielleicht bist du aber auch fĂŒr den Rest deines Lebens eingeschrĂ€nkt.”

Bei meinem Papa war’s ĂŒbrigens nur Zweiteres. Also wie soll ich’s jetzt sagen, ohne gemein zu wirken? Also wirklich großes GlĂŒck. Halt. Nur nach dem Telefonat. Da wusst‘ ich das ja nich‘.

Ich zwiebel mir erst mal einen saftigen Blunt in die Birne. Nich‘ aus zwang, sondern nur so. NĂŒchtern kann der mich jetzt ja auch nich‘ wirklich gebrauchen. NĂŒchtern kann ich mich selbst ja auch kaum wirklich gebrauchen. Das Handy liegt am Boden. Er irgendwo im Krankenhaus. Und die Ärzte sind so gottverdammt hilfreich. Außerdem merkt man auch gar nich‘, wenn ich high bin.

Und ich lieg auf der Couch. Und er irgendwo. Macht irgendwo. Irgendwas. Irgendwelche Therapien. Vielleicht. Er macht irgendwelche Therapien, vielleicht, wo sich erwachsene MĂ€nner neben einem durchaus mal einstuhlen könn‘. Wenn der Stress zu viel is‘. Oder der Krankenwagen nur ne‘ rote Ampel mehr umschiffen musste
 oder so. Halten.

Keine Ahnung.

Hat schon alles ein‘ infantilen Kern. Halt
 Eine Minute? Vielleicht ein‘ Moment.

Im Mundwinkel steht mir der Sabber, in der KĂŒche
 steht mein Weberknecht. Ich verknote mich. Komm da nicht mehr so gut raus. Ich glaub‘, die Zeit lĂ€uft mir davon. Irgendwie.

Mein Handy klingelt. Verdammtes Ding. Mein Papa ist entlassen. Toll! Jetzt kann er endlich versuchen, Klavier zu spielen. Ja. Jetzt kann ich endlich erzĂ€hlen, dass er das nicht mehr kann. Witzig. Jetzt kann ich endlich wieder zeigen, wie sehr ich sie doch alle hass‘.

© Alex-Schlatz 2021-03-16

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