von Andreas Tatowsky
Das ist hier die Frage, ob’s edler im Gemüt mit Füßen zu schaben, in althergebrachter höfischer Manier, seiner Obrigkeit demütigst mit seinem Kratzefuß anzuzeigen, ich werde jetzt sofort meinen Hut lüften und meinen Oberkörper tief wie nur möglich und auch noch dazu in die richtige Richtung neigen, sodass meine Nase aufs Erniedrigendste das ohnedies schon blanke Parkett poliert, ohne dass du jemals meinen Arsch ansichtig werden könntest. Oder sich eben aller seiner über die Jahre anerzogenen Unflätigkeit zu bedienen, um dem eigentlich doch auch noch ein wenig geliebten Kontrahenten eine gehörig rohe und deftig laute verbale Abreibung zu verpassen, die sich so ähnlich anfühlt, als täte man einem seiner Streitgegner mit der rostigen Drahtbürste übers Maul zu fahren wollen, weil ja die Kratzbürstigkeit erblich ist.
Beides allerdings scheint aus einem Jahrhundert zu kommen, in dem man noch höfisches Benimm zu gebrauchen wusste, oder eben zeigte, woher der Weg aus der Gosse führt. Die Gepflogenheiten der Musketiere, mit all ihren Saufgelagen, aber auch ihrer höfischen Demut, sollten dabei als kleine Erinnerungsstütze gut herhalten können. Ein kurz gehaltenes „Danke“ und „Bitte“, „du musst“ oder „darf ich das wirklich“ wären hierfür direkt eine wahre Initialzündung, um einen umgangssprachlich leiwaunden Umgang mit seinen Mitmenschen praktizieren zu können.
Dass der Kratzfuß (das Geräusch, das dabei entstanden ist, wenn man seinen Fuß mit einer Kreisbewegung sehr umständlich hinter den anderen führte, während man seinen Hut mit der anderen Hand vom Kopfe nahm) seinerzeit von der höfischen Obrigkeit sogar gefordert wurde, ist dabei nicht verwunderlich, dürfte aber bei so manchem Bediensteten zu einiger Belustigung geführt haben, wenn wer aus der Unterschicht versuchte „höfische Bewegungsübungen“ exakt vorzuführen. Nun ja, das geschah etwa im achtzehnten Jahrhundert, mit der Hilfe anderer Regenten wurden dann schließlich auch noch ganz andere Begrüßungsrituale eingeführt, wie man weiß.
Was dabei aber sehr, sehr hoch8 ungewiss ist: Seit wann es die Kratzbürstigkeit schon gibt und ob sie jemals irgendeiner unserer derzeitigen oder zukünftigen Regenten abzuschaffen vermag.
© Andreas Tatowsky 2022-09-18