KURT – der Krieg ist vorbei!

AndreaSelene

von AndreaSelene

Story

1943. Nach wie vor hofften mein Bruder Franz, meine Mutter und ich, dass es an der TĂĽr klopfen wĂĽrde und mein Vater uns in die Arme nimmt. Jeden Tag betete ich darum. Ich versuchte ein “guter Junge” zu sein, meine Mutter zu unterstĂĽtzen. Vati sollte stolz auf mich sein. Aber dann kam der Brief. In Kriegsgefangenschaft an einer LungenentzĂĽndung gestorben. Die Tage danach war ich in einer tiefen Schockstarre. Ich wollte es einfach nicht glauben. Nicht wahr haben. Mein Vater, den ich ĂĽber alles geliebt habe – den ich ĂĽber alles liebe – TOT. Wenn ein Elternteil so frĂĽh stirbt, dann stirbt auch ein Teil von dir. Unwiederruflich. Das Loch in dir bleibt.

Der Krieg war zuende. Die Angst wich erst nach und nach.

Das Leben ging weiter. Wir Kinder fanden Ablenkung im Wald und nach und nach bekamen wir wieder etwas Vertrauen in das Leben. Keine Sirenen mehr, die uns zuriefen: “Der Tod naht”. Oft habe ich mich gefragt, wie es den Piloten wohl gegangen ist, wenn sie diese furchtbaren Bomben fallen lassen mussten. Gleichzeitig aber beteten, dass ihre Kinder und Frauen Zuhause verschont werden.

Franz und ich mussten ein Jahr lang nicht in die Schule gehen, da das Gebäude zerbombt war. Für uns bedeutete das einige Monate zunehmender Unbeschwertheit. Bei den amerikanischen Besatzungssoldaten half ich am Tennisplatz als Balljunge aus und bekam oft Brot, Obst oder manchmal auch Kaugummi geschenkt. Mutter freute sich über das zusätzliche Essen. Denn die Essensmarken halfen lediglich das allernotwendigste zu erhalten. Mancchmal baten wir auch um Zigaretten, die wir dann bei den russischen Soldaten gegen kleine Köstlichkeiten, wie Schokolade eintauschten. Meine ersten Erfahrungen als Kaufmann waren also sehr erfolgreich.

Meine Mutter lernte einen Mann kennen. Schon bald zog dieser bei uns ein. Ich konnte ihn einfach nicht akzeptieren. Er saß auf Vaters Sessel, aß von seinem Teller und lag in seinem Bett. Ich sprach zwei Jahre lang kein einziges Wort mit ihm. Ich konnte einfach nicht. Meinem Bruder fiel das wesentlich leichter. Ich glaube, in diesen zwei Jahren ist die Bindung zwischen meinem Bruder und meiner Mutter enger geworden und das erklärt dann auch die eine oder andere Situation, die dann später geschah.

Nach einem Jahr ging die Schule wieder los. Recht viel Freude hatte ich nicht damit. Wenn mein Vater noch gelebt hätte, wäre ich sicher ein besserer Schüler gewesen, denn er hat es immer verstanden, mich für Dinge zu begeistern. Auch wenn ich sie langweilig fand. So aber schloss ich mich den Klassenkasperln an und hatte viel Spaß mit unseren Streichen und weniger mit meinen Aufgaben. Mit 15 Jahren schloss ich die Hauptschule ab. Meine Lehrer wollten mich motivieren, weiter zu machen, aber ich wollte unabhängig sein und endlich Geld verdienen. Mutter war das recht. Einer mehr, der etwas zum Lebensunterhalt der Familie beitragen konnte.

© AndreaSelene 2021-07-16

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Hoffnungsvoll
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