von Nadine M
âAmelie, Matteo, kommt bitte zum Essen!â Lisa holte den Nudelauflauf aus dem Rohr und stellte ihn auf die Herdplatte. Die Zwillinge tapsten lachend die Treppe hinunter. âMami, Mami singst du bitte backe, backe, Kuchen?â Amelie hielt ihr die ZahnbĂŒrste unter die Nase. âWo hast du die denn her? Bist du auf die WĂ€schetonne gestiegen? Ich habe dir doch gesagt, dass ihr da nicht hochklettern sollt! Was ist, wenn euch etwas passiert? Das wĂŒrde mein Herz nicht ertragen!â Geschockt sah sie die beiden an. Die kleinen Minigesichter starrten sie verwirrt und Ă€ngstlich an. âMama, was soll uns denn da passieren? Frisst uns dann das WĂ€schemonster? Papa sagt, das mag nur KĂ€sesockenâ, Matteo hielt sich mit einer Hand demonstrierend die Nase zu. Lisa musste schmunzeln. Die beiden hatten Max` braune Augen und ihre blonden Locken geerbt. Und definitiv das Temperament von Marie. Marie hatte damals wie wild ĂŒber den Babybauch gewedelt und immer wieder ihre Energie zu den Zwergen geschickt. Jetzt hatte sie den Salat! Die TĂŒr viel mit einem lauten Knall in das Schloss und zu Hause brach die Apokalypse aus. Wie zwei aufgescheuchte Terrier liefen die Kinder Richtung Flur und kreischten wie wild durcheinander. âPapa, Papa singst du mal backe, backe Kuchen?â Mit ihrem kleinen speckigen PatschehĂ€ndchen knuffte Amelie ihrem Papa entzĂŒckt in die Wange und steckte ihm mit der anderen Hand die ZahnbĂŒrste in den Mund. Matteo hing sich an das linke Bein von Max und spielte Affe. âIhr zwei seid ja die reinste Naturgewalt,â witzelte Max. Er stellte seine Aktentasche ab und schlĂŒrfte in die KĂŒche. âHallo mein Engel.â Er gab Lisa einen Kuss und strich ihr dabei ĂŒbers Haar. âHier duftet es aber gut.â
WĂ€hrend Lisa die KĂŒche aufrĂ€umte, las Max den Kindern noch etwas vor. Als sie fertig war, öffnete sie leise die KinderzimmertĂŒr und lugte vorsichtig hinein. Max lag in Amelies Bettchen, links und rechts ein Kind im Arm und erzĂ€hlte noch eine Arbeitsgeschichte. Vor Jahren hatte er sich dazu entschieden, in die Tierforschung zu gehen. Er wollte die Tiere vor dem Aussterben bewahren und die Welt wieder artgerechter gestalten. Vor fĂŒnf Jahren gaben sich die beiden das Ja-Wort in einem Wildpark und kurz danach folgten die Zwillinge. Ihr Herz war so erfĂŒllt von Liebe, sodass sie oft den Knoten in ihrem Inneren vergaĂ. Max und Marie haben sie dazu ermutigt, sich psychologische Hilfe zu holen. Sie hatte ĂŒber die Jahre hinweg eine Angststörung entwickelt, die sie allein nicht mehr loswurde. Dieses GefĂŒhl fĂŒr jemanden der Mittelpunkt der Erde zu sein und wirklich gebraucht zu werden war wunderschön, aber auch angsteinflöĂend. Sie hatte oft Angst, ihren Kindern nicht gerecht zu werden und zu versagen. So wie sie ihre Familie liebte, musste sie sich auch selbst lieben lernen. Sie hatte lange genug im Schatten der Selbstzweifel gelebt, doch nun war Schluss damit. All diese Fehltritte, EnttĂ€uschungen und TrĂ€nen musste sie durchleben, um diese wundervolle Familie bekommen zu können. Langsam aber sicher begann sich der Knoten zu lösen. Er wurde immer lockerer und bald wĂŒrde er nur noch eine schmerzhafte Erinnerung sein. Lisa umarmte sich selbst und flĂŒsterte zu sich: âDu bist perfekt so, wie du bist.â
© Nadine M 2023-10-22