Luft und Liebe

Gino Dola

von Gino Dola

Story
2023

Siebenhundertfünfunddreißig Tage. Ich habe Kopfschmerzen. Seit Stunden versuche ich einzuschlafen, doch mein Gedankenkarussell dreht sich immer weiter, immer schneller. Mein Magen knurrt, seit zwei Tagen habe ich nichts gegessen. Luft und Liebe, jagt es mir durch den Kopf. »Nur Luft!«, murmle ich bestimmend. Ist es so schwer geliebt zu werden? Meine Hülle, die mich scheinbar gefangen hält, ist ausgefüllt mit Sorgen. Ich weiß nicht wie mein Übermorgen sein wird aber ich weiß, welchen dunklen Weg ich morgen gehe, alleine. Hätte ich nur weniger Verantwortungsbewusstsein; mir gegenüber. All meine Sorgen hätte ich längst ertränkt. Ich weiß, dass ich gegangen bin, ich hätte vorher fragen müssen, wie mein Herz ohne dich weiterschlagen soll. Du hättest sicher eine Antwort gehabt aber ich habe nicht gefragt. Ich versuche wirklich zu lachen, krampfhaft. Doch alles in mir, wirklich alles, jeder Muskel, jedes Gefühl, sträubt sich dagegen. In mir ist kein Mut, keine Hoffnung zu finden. Vielleicht hat mein Herz längst aufgegeben. Das Lied Firework beginnt aus meinem Handy zu singen. Ist es so schlimm, jemanden wiederhaben zu wollen? Verzeihen zu können? Noch einmal neu anfangen zu wollen? Ich möchte dir Guten Morgen schreiben, doch ich streife allein durch mein Leben. Warte und warte, weiß längst nicht mehr worauf. Momente voller Augenblicke, meine Gegenwart voller Erinnerungen. Wie viele Tränen fielen schon aus meinen Augen? Ich kann sie nicht mehr zählen, will sie nicht mehr zählen, sie nicht mehr trocknen. So oft wollte ich beenden, was ist, was ich bin – alles ist egal, einfach egal. Die Melodie nimmt mich mit auf ihrer melancholischen Welle. Das Auf und Ab in meinen Tagen, die Dunkelheit in mir, selbst an Sonnentagen. Mein Herz steht still, nichts in mir macht noch, was ich will. Es ist so, als würde mein eigenes Ich mir selbst entgleiten. Ich klammer mich nur noch an Bilder, Lieder und Erinnerungen – welche allesamt mehr und mehr verblassen. Gefühle springen dauernd an mir hoch, fallen tief und reißen mich mit. Malen ein Bild in mir, Farben, Versprechen. Es ist nicht egal – verdammt – du bist nicht egal! Mir nicht egal. Dennoch, Schwere erdrückt mich von allen Seiten, quetscht mit Leichtigkeit von innen, die Tränen auf mein Außen. Tränen die niemand sehen sollte, perlen an der schmalen Linie entlang. An jener Linie, die immer lacht, wenn jemand hinsieht. Ich will nicht mehr Lachen! Ich bin auch nicht stark, will es auch nicht sein, nur für dich. Ich trockne meine Tränen an meinem Ärmel. Zwischen all den dunkelgrauen Schnüren aus Gedanken windet sich ein goldener Faden an die Oberfläche. Nur noch sieben Tage. Sieben Tage bis Januar, der Monat, in dem wir uns wiedersehen wollen. Der erste Monat im neuen Jahr beginnt mit dir. Ich ertappe mich selbst dabei, wie ich mich freue. Es war nicht mal ein Versprechen, nur so ein Dahergesagtes »können wir ja mal wieder machen, im Januar.« Eigentlich möchte ich bis dahin nichts mehr essen, damit es umso besser schmeckt, wenn wir beide essen gehen. Der Refrain beginnt, darauf habe ich gewartet! Lauthals singe ich mit. Ich freue mich auf dein Leuchten, dein Lachen – das Feuerwerk, das du jedes Mal in mir auslöst. Glücklich, in meinen Gedanken an das neue Jahr versunken, stopfe ich mir zufrieden ein paar Schokoladenkugeln in den Mund. Luft und Liebe.

© Gino Dola 2023-12-24

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Herausfordernd, Dunkel, Hoffnungsvoll, Reflektierend, Traurig
Hashtags