von Gino Dola
SiebenhundertfĂŒnfunddreiĂig Tage. Ich habe Kopfschmerzen. Seit Stunden versuche ich einzuschlafen, doch mein Gedankenkarussell dreht sich immer weiter, immer schneller. Mein Magen knurrt, seit zwei Tagen habe ich nichts gegessen. Luft und Liebe, jagt es mir durch den Kopf. »Nur Luft!«, murmle ich bestimmend. Ist es so schwer geliebt zu werden? Meine HĂŒlle, die mich scheinbar gefangen hĂ€lt, ist ausgefĂŒllt mit Sorgen. Ich weiĂ nicht wie mein Ăbermorgen sein wird aber ich weiĂ, welchen dunklen Weg ich morgen gehe, alleine. HĂ€tte ich nur weniger Verantwortungsbewusstsein; mir gegenĂŒber. All meine Sorgen hĂ€tte ich lĂ€ngst ertrĂ€nkt. Ich weiĂ, dass ich gegangen bin, ich hĂ€tte vorher fragen mĂŒssen, wie mein Herz ohne dich weiterschlagen soll. Du hĂ€ttest sicher eine Antwort gehabt aber ich habe nicht gefragt. Ich versuche wirklich zu lachen, krampfhaft. Doch alles in mir, wirklich alles, jeder Muskel, jedes GefĂŒhl, strĂ€ubt sich dagegen. In mir ist kein Mut, keine Hoffnung zu finden. Vielleicht hat mein Herz lĂ€ngst aufgegeben. Das Lied Firework beginnt aus meinem Handy zu singen. Ist es so schlimm, jemanden wiederhaben zu wollen? Verzeihen zu können? Noch einmal neu anfangen zu wollen? Ich möchte dir Guten Morgen schreiben, doch ich streife allein durch mein Leben. Warte und warte, weiĂ lĂ€ngst nicht mehr worauf. Momente voller Augenblicke, meine Gegenwart voller Erinnerungen. Wie viele TrĂ€nen fielen schon aus meinen Augen? Ich kann sie nicht mehr zĂ€hlen, will sie nicht mehr zĂ€hlen, sie nicht mehr trocknen. So oft wollte ich beenden, was ist, was ich bin – alles ist egal, einfach egal. Die Melodie nimmt mich mit auf ihrer melancholischen Welle. Das Auf und Ab in meinen Tagen, die Dunkelheit in mir, selbst an Sonnentagen. Mein Herz steht still, nichts in mir macht noch, was ich will. Es ist so, als wĂŒrde mein eigenes Ich mir selbst entgleiten. Ich klammer mich nur noch an Bilder, Lieder und Erinnerungen – welche allesamt mehr und mehr verblassen. GefĂŒhle springen dauernd an mir hoch, fallen tief und reiĂen mich mit. Malen ein Bild in mir, Farben, Versprechen. Es ist nicht egal – verdammt – du bist nicht egal! Mir nicht egal. Dennoch, Schwere erdrĂŒckt mich von allen Seiten, quetscht mit Leichtigkeit von innen, die TrĂ€nen auf mein AuĂen. TrĂ€nen die niemand sehen sollte, perlen an der schmalen Linie entlang. An jener Linie, die immer lacht, wenn jemand hinsieht. Ich will nicht mehr Lachen! Ich bin auch nicht stark, will es auch nicht sein, nur fĂŒr dich. Ich trockne meine TrĂ€nen an meinem Ărmel. Zwischen all den dunkelgrauen SchnĂŒren aus Gedanken windet sich ein goldener Faden an die OberflĂ€che. Nur noch sieben Tage. Sieben Tage bis Januar, der Monat, in dem wir uns wiedersehen wollen. Der erste Monat im neuen Jahr beginnt mit dir. Ich ertappe mich selbst dabei, wie ich mich freue. Es war nicht mal ein Versprechen, nur so ein Dahergesagtes »können wir ja mal wieder machen, im Januar.« Eigentlich möchte ich bis dahin nichts mehr essen, damit es umso besser schmeckt, wenn wir beide essen gehen. Der Refrain beginnt, darauf habe ich gewartet! Lauthals singe ich mit. Ich freue mich auf dein Leuchten, dein Lachen – das Feuerwerk, das du jedes Mal in mir auslöst. GlĂŒcklich, in meinen Gedanken an das neue Jahr versunken, stopfe ich mir zufrieden ein paar Schokoladenkugeln in den Mund. Luft und Liebe.
© Gino Dola 2023-12-24