von Anna Geier
Das blaue Pferd von Franz Marc kennen sicher einige. Das meine ich aber nicht. Sein blaues Pferd, Marke Peugeot stand in der Garage. Dort hatte es Ruhezeit.
Ich befürchtete schon, dass es verrostet und dann am Autofriedhof landet. Als mein Vater starb, war der fahrbare Untersatz noch immer blau, allerdings mit Rostflecken und es wurde schon ein Auge auf ihn geworfen. Die Nachbarn waren sehr interessiert daran. Sie wollten ein Zweitauto für alle Fälle.
Das Auto war mittlerweile elf Jahre alt, aber nur wenig gefahren. Den Restwert konnte ich nicht einschätzen, da ein Auto ab zehn Jahren nicht mehr gelistet wird. Wir einigten uns auf einen niedrigen Preis und die Nachbarin war froh, dass sie ihn bekam.
Jetzt war der Moment gekommen, wo ich ihr etwas beichten musste: “ Ich muss dich aber warnen. Du weißt doch, dass mein Papa immer die Milch, die er von euch holte, im Auto transportierte. Als ihm der Fußweg zu beschwerlich wurde, nahm er das Auto und fuhr die 300 Meter zur Milchtankstelle. Früher ging er mit der Milchkanne zu Fuß und die Katzen begleiteten ihn.“
Die Nachbarin wusste das, weil es war die Milch von ihrem Bauernhof. Sie lachte schon und erzählte mir: „Dein Papa stellte die Kanne immer am Boden, als sie befüllt war und fuhr gleich damit heim.“
„Oftmals kippte die Kanne um und die Milch war am Boden ausgeronnen. Der komplette Boden auf der Beifahrerseite war milchgetränkt. Es war nicht mehr möglich, den Boden zu säubern. Das war oft passiert. Du kannst dir vorstellen, was dann passiert ist?“ , fragte ich sie.
„Im Sommer stank es bestialisch im Auto. Die Milchreste, das Milcheiweiß verwandelte sich zu einem stinkenden Käse. Der Geruch war nicht mehr wegzubekommen. Ihr müsst die ganze Bodenabdeckung vorne herausreißen, sonst hältst du die Fahrt im Auto nicht aus.“, gab ich ihr als Hinweis mit.
Die Nachbarin lachte und meinte: “ Das hab ich mir schon gedacht, weil dein Papa jammerte öfter, dass er mit so wenig Milch nach Hause kam und dass ihm die tägliche Ration von eineinhalb Liter Milch zu wenig sei!“ Es war ausgemacht, dass er sich täglich eineinhalb Liter Milch holen konnte. Für eine Person sollte die Menge doch reichen, möchte man meinen.
Wenn ich zu ihm kam, war oft keine Milch für den Kaffee da und ich wunderte mich immer über seinen Milchverbrauch. Er versuchte abzulenken und suchte eine Ausrede: “ Die Katzen haben wieder die ganze Milch getrunken, die hungrigen Viecher!“
© Anna Geier 2020-06-13