von Thomas Vitzthum
Obwohl ich Tennis weder praktiziere noch im Fernsehen verfolge, leide ich an einem derartigen Arm. Anfangs dachte ich, es wĂ€re meine aliquote Mitschuld an Dominic Thiems sportlicher Misere bzw. wĂŒrden meine Schmerzen enden, wenn er wieder fĂŒr uns die TennisbĂ€lle aus dem Feuer holte. Als aufmerksamer, lebenserfahrener Mitmensch heile ich mich gerne selbst und hole mir nur in aussichtslosen ExtremfĂ€llen externe Hilfe.
Ich habe meinen Arm gekĂŒhlt, erhitzt, gestreichelt, bestraft, bandagiert, gedehnt, ihm Geschichten vorgelesen, ihn in Voltaren eingelegt, mit Topfen paniert, bin mit ihm nach Tahiti geflogen, habe mein Auto auf ihm geparkt, sogar die Katze daneben hingelegt. Irgendwann ist er endlich eingeschlafen, aber ich lag schmerzgeplagt wach im Bett. Eine Freundin hat mir daraufhin den Kontakt zu ihrer Masseurin hergestellt, die angeblich wahre Wunderdinge bewirken kann. Ich vereinbare einen Termin mit besagter Heilerin, folge ihr fröhlich in den Keller und lege mich auf die Liege. Prinzipiell bin ich ein Fan asiatischer Heilkunst, weil mit einfachen Mitteln groĂes bewirkt werden kann. Ich erklĂ€re mich kurz, aber sie habe schon alles gesehen und beginnt. Meine Freundin hat am Rande erwĂ€hnt, dass Hao manchmal ein bisschen grob rĂŒberkĂ€me, ich ihr, dass ich kein Beckenrandschwimmer wĂ€re. Hao rattert mit ihren Knochen ĂŒber meinen ohnehin hypersensiblen Unterarm und plĂ€ttet Sehnen, walkt Faszien und knetet Muskeln, wĂ€hrend ich tapfer Schmerz erdulde. Wie in einem Tom & Jerry Cartoon spritzen mir waagrecht die TrĂ€nen aus den Augen.
Sie fragt, ob ich Schmerzen hĂ€tte, ich ringe mir ein LĂ€cheln ab und wimmere ein leises ja. Hao erklĂ€rt, dass alles zu hart sei, heute tĂ€te es weh, dann kĂ€men die GefĂŒhle wieder. Aber heute Schmerzen. Sie fĂ€hrt fort und verursacht selbige. Ich klopfe ab, es geht nicht mehr. WĂ€hrend sie mir ein LĂ€cheln schenkt vollfĂŒhrt sie einen Elbow Drop in mein Schultergelenk, woraufhin ich ausatmen muss, um mich nicht zu ĂŒbergeben. Der SchweiĂ auf meinem Körper tanzt wie heiĂes Ăl in einem Wok, Hao rammt mir ein StĂŒck rundes Holz in einen Bereich meines Oberarms, von dem ich nicht wusste, dass ich ihn hĂ€tte und falle kurz in Ohnmacht. Ich mache mich auf den Weg zu meinem Happy Place, aber sie verschlieĂt vor meinen salzverkrusteten Augen die TĂŒr. Hao lĂ€utet die zweite Runde beim Unterarm ein. Stolz berichtet sie mir, dass es nicht mehr so weh tun wĂŒrde wie vorher, was ich weder bestĂ€tigen noch verneinen kann. Von Reizen ĂŒberflutet spĂŒre ich nichts mehr. Wir sind fertig. Ich zahle, wir lĂ€cheln, und vereinbaren einen weiteren Termin.
Auf dem Weg zum Auto schlafe ich erschöpft im Gehen ein und werde ein paar mal ĂŒberfahren, was mir völlig egal ist. Ich öffne die TĂŒr, lege meine zitternden Ăste aufs Lenkrad und versuche den Motor mit der Kraft meiner Gedanken zu starten. Nie wĂŒrde ich nach Hause kommen, wie ein vergessener Hund im Auto verhungern. Mit letzter Kraft lege ich den ersten Gang ein und stottere nach Hause.
© Thomas Vitzthum 2023-03-26