Oma, ich vermisse dich

-AS

von -AS

Story

Kennt ihr das? Wenn ihr eine Person so sehr liebt, dass man nicht darĂŒber nachdenken möchte, wie das Leben wohl ohne sie wĂ€re? Wenn sie einfach zu eurem Leben dazugehört und es normal ist, dass sie euch begleitet?

Ich möchte euch meine Oma vorstellen. Sie ist eine starke Frau. War – muss ich wohl sagen. Denn diese tolle Frau, die ich so geliebt habe, die immer bei mir war, ist nicht mehr. Ein Satz, den ich monatelang nicht aussprechen konnte. Der mir immer noch schwer fĂ€llt.

Im Krieg groß geworden, Flucht nach Deutschland, 4 Kinder von 2 EhemĂ€nnern. Darunter meine Mama. Einmal geschieden und einmal verwitwet. Immer stark und nie am nörgeln. Eine wunderbare Frau. Ein Vorbild. Meine Oma.

Bei Streitigkeiten mit meiner Mama immer auf ihrer Seite. Klar, ist ja auch deine Tochter. Aber wenn ich danach sauer in meinem Zimmer saß, hast du mir FBI-mĂ€ĂŸig Erdbeeren mit Sahne ins Zimmer geschmuggelt. Damit ich wieder sĂŒĂŸ bin.

Beim Lernen hast du mir Wackelpudding gebracht, damit ich motiviert bin. Ich mag keinen Wackelpudding. Aber ich mag dich. Deswegen habe ich mich gefreut und ihn gegessen. Wenn ich gegessen habe, warst du froh. Denn in deinen Augen musste ich mehr essen. “Im Krieg wĂ€rst du froh gewesen, wenn du was auf den Rippen gehabt hĂ€ttest MĂ€dchen”, hast du gesagt. Und ich habe gelĂ€chelt.

Wenn ich nachts geweint habe, hast du mir unsere Katze gebracht, damit sie mich tröstet. Du dachtest, dass ich das nicht merke, aber ich habe es gemerkt. Wenn ich mit anderen Streit hatte, hast du mir gesagt, dass ich stĂ€rker sein soll und mich entschuldigen soll. Dann eine kurze Pause. “Außer es ist ein Dummkopf”, hast du gesagt.

Meine Hochzeit wolltest du unbedingt erleben. “Auf ihr werde ich die Nacht durchtanzen”, hast du gesagt. Ich habe dir geglaubt. Alle haben dir geglaubt. Denn du warst stark und ehrlich. Und wie ehrlich du warst. Wenn ich einmal hĂ€sslich oder krank war, wusste ich es. Du hast es mir direkt gesagt: “Du siehst aber weiß aus. Wie ein Gespenst.” Oder: “Du siehst ganz krank aus.” Doch ich konnte drĂŒber lachen. Weil du es warst.

Als meine Hochzeit dann endlich da war, sagtest du mir, ich sei die schönste Braut, die du je gesehen hast. Du freutest dich schon, mich weiter in meinem Leben zu begleiten.

Und jetzt sitze ich hier. An meinem ersten Hochzeitstag. Ohne dich. Denn du bist nicht mehr. Und alles was bleibt, sind meine Erinnerungen an dich. “Hör auf zu weinen”, wĂŒrdest du jetzt sagen. Ich weine doch gar nicht. Das sind Erinnerungsperlen.

In deinen letzten Tagen hast du mir von dem Schlaf-Zug erzÀhlt, in den du dich dann setzen wirst. Zu all deinen Freunden und Verwandten, die schon auf dich warten. Ich freue mich schon, wenn ich dich wiedersehe. Dann können wir Wackelpudding essen und wieder tanzen.

In Liebe

Deine Ann-Sophie

© -AS 2022-06-14

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