von Carmen Matheis
10. und 11. August 2022
Schmira – Gotha – Mechterstedt
Von Schmira nach Gotha ist die wohl härteste Etappe. Es sind zwar nur 21 km, aber die Strecke geht nur über Felder, kein Schatten, nur zwei kleine Dörfer. Also fülle ich morgens sämtliche Flaschen, trinke gleich zum Frühstück genug und marschiere los. Falls ich jemals wieder pilgern gehe bestimmt nicht im Hochsommer. Ich nutze jede Gelegenheit, um mich kurz in den Schatten zu setzen, und wenn es nur einzelne Bäume sind oder Büsche am Wegrand. Und dann verpasse ich auch noch eine Abzweigung, lande plötzlich auf der Landstraße und muss ein Stück des Wegs zurück. Also, heute ist nicht mein Tag.
Irgendwann taucht eine überdachte Bank vor mir auf. Erleichtert werfe ich den Rucksack ab und lasse mich darauf nieder. Schatten! Die Bänke mit Tisch wurden wohl extra für die Pilger auf dem Weg gebaut. Es ist meine Rettung. Ich mache ausgiebig Mittagspause, obwohl es noch etwas zu früh ist. Ich bedanke mich innerlich bei all den Menschen, die diesen Pilgerweg betreuen. Als ich weitergehe habe ich wieder mehr Motivation. Auf einem Betonweg hinter Tüttleben sitzen ein paar Jungen im spärlichen Schatten von Büschen. Sie wollen wissen, wo ich herkomme und wie weit ich will. Einer ermahnt mich immer genug Wasser dabei zu haben. Ich grinse, aber er hat ja recht. Mit guten Wünschen gehe ich weiter. Zum Glück habe ich mich gleich am Eingang von Gotha im Stadtteil Siebleben bei Privatleuten einquartiert, so muss ich nicht mehr lange durch die Stadt. Es ist noch ein weiterer Pilger angekommen. Abends sitzen wir mit den Gastgebern im Garten, trinken selbst gemachten Most und unterhalten uns. Der andere ist in Naumburg gestartet und will in Eisenach auf den Elisabethenweg abzweigen.
Am Morgen schaue ich zuerst die Innenstadt von Gotha an. Dann ist es wieder eine zähe Strecke ohne Schatten. Kurz nach Gotha setze ich mich für die erste Pause auf den Sockel von einem Windrad. Macht ganz schön Krach so ein Ding. Direkt neben meinem Haus möchte ich das auch nicht haben. Aber hier stört es wohl niemanden. Der Weg weiter ist furchtbar zerwühlt, manchmal weiß ich gar nicht, ob ich noch auf dem Weg laufe oder auf dem von Rädern zerfurchten Feld daneben. Laut Karte ist das ein ehemaliger Truppenübungsplatz. Es sieht aus als wären die Truppen noch nicht so lange weg. Gegen Mittag finde ich eine Schutzhütte im Feld. Später mache ich noch einmal Pause unter einem Gebüsch. Ich lege mich rückwärts auf den Rucksack und döse fast ein als ich einen Traktor näher kommen höre. Kein Grund zur Aufregung, oder? Doch dann verstummt das Geräusch und eine Stimme ertönt: „Hallo, ist alles in Ordnung mit ihnen?“ Der Traktorfahrer hat wohl befürchtet, ich wäre vor Erschöpfung zusammengebrochen. Aber nein, alles gut. Ich erkläre ihm, dass ich nur mal kurz meinen Kopf in den Schatten legen musste. Er wünscht mir einen weiteren guten Weg und fährt weiter. Ich stehe auch wieder auf, esse noch einen Müsliriegel und mache mich wieder auf die Beine. Vor mir taucht jetzt der Hörselberg auf. Den muss ich morgen überqueren, um nach Eisenach zu kommen. Aber vorher übernachte ich erst noch auf dem Bodelschwinghhof.
© Carmen Matheis 2024-07-11