von NiggiMeran
An einem sonnigen späten Nachmittag im Krankenhaus Hietzing eilte der Primar in das Krankenzimmer, in dem ich mich befand.
Ich saß noch in Straßenkleidung auf einem schwarzen Stuhl und wartete auf das Aufklärungsgespräch für meine Operation am nächsten Morgen. Es sollte eine geplante Herz-OP werden. Meine Aorta war deutlich erweitert und die Aortenklappe wollte deshalb nicht mehr ganz schließen. Ich war trotz mentaler Eigenvorbereitung auf den Eingriff im Widerstand und drückte diesen im Hinauszögern des Patientenkittelanziehens aus. Ich fühlte mich wie ein verurteilter Unschuldiger, der auf seine Henker wartete und darauf, dass ihm der Garaus gemacht werde. Dieses miese Gefühl und das grausige Bild machte mich Tage und Wochen zuvor fertig. Nun war der Zeitpunkt gekommen. Wie ein Warten in der Zelle.
Der Primar, eine Koryphäe auf seinem Gebiet, spendete mir jedoch Zuversicht und Vertrauen und machte mir Hoffnung, dass ich meine beiden kleinen Töchter wiedersehen würde. Der Arzt und ich „verabredeten“ uns für den nächsten Tag „am“ OP-Tisch. Dann aber musste ich mich beugen und den Kittel des Peines anlegen. Es standen noch letzte tel. Wünsche und „Verabschiedungen“ von Freunden und Familie an. Die Hygienemaßnahmen und ein Beruhigungstabletterl vertrieben mir ein wenig Angst und Zeit des Abends. Ein netter Pfleger aus dem Waldviertel ließ mir die vorgeschriebene Ganzkörper-Rasur (ohne Haupthaare) zu teil werden und ich war verblüfft, wie gut das verabreichte „Wurschtel-Pulverl“ wirkte – Intimrasur auch egal.
Am nächsten Morgen wurde ich nach meiner Desinfektionsdusche in den OP manövriert. So fühlt es sich also an für den Zu-Hängenden – das letzte Geleit des Henkers – dachte ich. Ich wurde auf den OP-Tisch aus Niro gebeten, wuchtete mich mit letztem Optimismus vom weichen Transportbett auf den metallisch harten „Fleischertisch“ und war erstaunt über den riesigen Flatscreen im OP. Nach Erkundigungen diesbezüglich bat ich die im OP anwesenden Assistenten, Schwestern, Techniker, Anästhesisten, etc. im Kollektiv mit letzter Verzweiflung, sie mögen dem operierenden Primar ausrichten, er solle bitte für meine Töchter und mich sein bestes geben.
Gefühlte 5 Sekunden später war ich in eine andere Welt befördert.
Nach für das Team harten 6-7 Stunden Arbeit war alles vollbracht. Mein inneres Licht entzündete sich zaghaft und meine Lebensgeister wurden sorgfältig geweckt. Ein Ringen meines Körpers mit der wohl dosiert zugeführten Medikation zwischen Narkosezustand und Intensivstations-Bewusstsein war im Gange. Unfassbare Schmerzen im Brustraum quälten mich und sie waren soo willkommen. Ich hatte überlebt. Der Intensivpfleger hielt meine Hand und gab mir das Versprechen für genug Schmerzmittel in meinem Körper zu sorgen, wenn ich seine Hand fest drücke. Und ich drückte oft. Und sehr fest.
Mir wurde ein zweites Leben geschenkt. Ein anderes, bewussteres. Mit viel Licht und Dankbarkeit in meinem Kern.
© NiggiMeran 2020-04-14