Spaziergang im Herbst

Die kalte Luft kratzt die Haut meiner Wangen rot und ich ziehe die Jacke enger. Lolita läuft vor mir über die bunt getupften Laubbäume auf der Straße. Ihre goldene Rute glänzt im Licht der frühen Vormittagssonne.

Ich muss lächeln.

Frieden.

Endlich.

Mit dem Herbst war auch das Sterben zurück in die Welt gekommen, und mit ihm die künstlerische Schaffenskraft seines Wesens. Nachdem ich fast den gesamten Sommer mit einer Schreibblockade verbracht hatte, kam mir diese Gewissheit fast so schön vor wie ein Eheversprechen, oder besser; das Scheidungspapier einer unglücklichen Beziehung.

Lolita und ich verlassen die Straße und biegen auf einen Pfad ab, der gen Osten aus der Siedlung führt. Zur rechten Hand steht ein hoher Holzzaun und zur Linken eine Reihe Platanen, hinter denen ein Teich anfängt. Nach wenigen Minuten erreichen wir eine Lichtung und Lolita stürzt sich in das hohe Gras. Ich setze mich auf einen Findling, der schon seit meiner Kindheit hier liegt. Vater hatte mir vor langer Zeit erklärt, dass Gletscher ihn vor Millionen von Jahren hier her getragen hätten und seither beschäftigt mich die Frage wo er herkommt. In der ersten Geschichte, die ich je geschrieben hatte, hatte ich mir ausgemalt, wie er von einem fernen Planeten auf die Erde gekommen war. Nebenbei hatten auch noch ein Drache und ein außerirdischer Prinz eine Rolle gespielt. Da war ich grade sieben geworden.

Bunte Blätter fallen lautlos von den Bäumen und landen vor meinen Schlamm befleckten Stiefeln. Während ich Lolita beobachte, wie sie ihr schönes Fell mit dem Dreck des Feldes schwärzt, zünde ich mir eine Zigarette an.Ein Blatt landet auf meinem Knie.Dann ein zweites.Ich nehme sie mit spitzen Fingern auf und halte sie gegen das Sonnenlicht; sie sind ungleichmäßig. Ihre Blattform ist unüblich, die Adern verlaufen nicht, wie sie beim Ahorn sonst verlaufen sollten.

Doch ihre Farben sind so schön wie die der anderen.

Nein, schöner – korrigiere ich.