Ich stellte meine Sporttasche ab, zog die Schuhe aus und streifte die Socken von den Füßen.“Ich hasse Sport. Warum mache ich das hier bloß?“ dachte ich leise in Gedanken. Tief in mir wusste ich jedoch, warum ich das ganze tat. Ich hatte ein großes Ziel, doch alleine hatte ich es bisher nie geschafft. Also brauchte ich jemanden, der mir dabei half und mich auf dem Weg begleitete.
„Moin. Na, alles gut bei dir?“Ehe ich es bemerkt hatte, war es 14 Uhr und mein Trainer kam auf mich zu. Arm ausgestreckt, Faust gegen Faust zur Begrüßung. Während er seine Sachen auspackte, hörte er mir genau zu, wie die letzten zwei Wochen Training zu Hause liefen und wie ich mit der Ernährungsumstellung zurechtkam.
Offene Fragen wurden geklärt und ich fragte mich die ganze Zeit, womit mein Trainer mich heute malträtieren wollte, wo ich jetzt schon weiß, dass die nächste Woche von Muskelkater und von watscheln wie ein Pinguin geprägt sein würde. „Heute machen wir was anderes, als deinen Zirkel. Hast du schon mal geboxt?” Meine Augen weit aufgerissen und ein stöhnendes ”Oh Gott. Nein.“ brachte ich nichts heraus. Leichte Panik erfasste mich. Die Boxhandschuhe aus der Tasche nehmend und auf meine Hände gesetzt, kam mir mein eigener Kopf daneben plötzlich ganz klein vor. Doch mein Trainer war sehr gut. Er merkte, dass ich etwas nervös war und nicht wusste, was mich erwartete. „Keine Sorge. Wir fangen mit den Grundlagen an und boxen uns langsam vor.“ Mein Trainer lächelte mich aufmunternd an, ich nickte und war plötzlich ganz gespannt. Freudige Erwartung auf das, was noch kommen sollte, machte sich in meinem Bauch breit. Von der richtigen Standposition zum ersten Schlag in seine Boxpratzen dauerte es auch nicht lange und ich merkte sofort: heute wird es sehr anstrengend.
Mit diesem Gedanken und dem Fokus auf den Pratzen lernte ich, wie ich zu einem Schlag ausholte, welche meine Schlaghand war und was für eine Beinarbeit das Boxen erforderte. Schweißgebadet und die Flasche zitternd an meine Lippen führend gönnte mir mein Trainer eine kleine Pause, bevor es noch einmal richtig anstrengend werden würde. „Bist du wieder fit?“ Sorgfältig überlegend nickte ich bejahend. „Ja. Muss halt, nh.“ sagte ich mit einem Grinsen im Gesicht. Das allerdings war schneller wieder weg als ich dachte. „Gut. Wir machen jetzt 30 Sekunden Dauerboxen links rechts im Wechsel, dann 30 Sekunden Pause.“ Ich schaute im ins Gesicht und hoffte, dass das ein Scherz war.
Nein…war es definitiv nicht.
Das war mein innerlicher Tod. Meine Arme schmerzten und die Schläge wurden langsamer. „Nicht langsamer werden. Los, weiter…weiter…“ Das spornte mich etwas an, in den letzten Sekunden nicht aufzuhören.
Das Piepen war zu hören. Zeit ist um. Meine Arme waren schwer wie Blei und hingen einfach herunter. Ich konnte nichts mehr machen.
“Mehr Spaß geht nicht beim Sport” dachte ich, während ich nach Luft schnappte und sich ein Grinsen in meinem Gesicht ausbreitete.
Der richtige Trainer macht viel aus.
© Michelle Weber-Risse 2022-07-27