Sprachgewaltig

Gudrun Salzer

von Gudrun Salzer

Story

SusanMary’s Analyse zum Wiener Dialekt, umschrieben in „Eine Flasche, die keinen Cent wert ist“, versüßte mir die heutige Mittagspause. Es begab sich, in Wien, eh logisch, als ein Mann dem anderen vor die Füße spuckte. Ich zitiere: „Heast Oida, du Floschn, bist wo au`grennt?“, die Reaktion des Körpersaftempfängers auf das zweibeinige Menschenlama.

Ich hüte mich davor, die ostösterreichischen Sprach- und Dialektgebräuche aufzumischen, könnte aber meine Hypothese zwecks Analyse anbieten. Meine=Westösterreichisch. Mit den Gepflogenheiten der goi’s und denen Innergebirg bin ich bestens vertraut. 59% meiner Lebenszeit ist mit den verbalen Muttermilchkompetenzen des Oberösterreichischen Zentralraums vernabelt. Die verbleibenden Zähler versprachlichen sich nunmehr im Pinzgau. Warum es mich in eine dialektstarke Gegend verschlug? Die Romantiker unter Euch muss ich an dieser Stelle herb enttäuschen. Amor weist nachdrücklich jegliche Verantwortung von sich. Deshalb zurück zur Analyse.

Dazu bemühe ich Yuval Noah Harari’s Niederschrift über die kurze Geschichte der Menschheit, in der er die Auswirkungen zur Sesshaftwerdung der menschlichen Spezies behandelt. Stationäre Viehzucht löste das Nomadentum mit all seinen Vorzügen und Nachteilen ab. Anfänglich lebte man mit seinen kostbaren Tieren im selben Haushalt. Sie dienten nicht nur als menschliche Futterquelle, sondern in den Wintermonaten als zusätzlicher Wärmespeicher.

Und genau an diesen evolutionsträchtigen Moment knüpft meine Betrachtung an. Die innige Verbindung zwischen Mensch und Tier.

Ich beschleunige die Zeitreise zeitraffend: Wir schreiben das Jahr 2005 n. Chr. Ganz Innergebirg ist von den Kühen besetzt. Wieder einmal schreiten sie durchs Dorf und ziehen eine braungrüne Asphaltverwüstung nach sich. In einem unbeobachteten Moment erblickt das Fleckvieh ein offenes Gartentürl und nimmt hornwendend Kurs auf das schlüpfrig-löchrig eingezäunte Blumengrünland. Dort angelangt entdeckt es eine weitere Öffnung. Einladend steht sie offen. Die Eingangstüre eines Einfamilienhauses. Dankend nimmt es die Einladung an. Tritt ein. Und steht an.

„Heast….bist wo au`grennt?“. Die Kuh ist wo angerannt!? An die geschlossene Wohnzimmertüre. Rückzug unmöglich. Was macht die Kuh, wenn sie nicht mehr weiter weiß? Nein, nix weißes. Etwas eh schon wissen. Mitten ins Vorzimmer. Seitlich mehrwändig in den Raufaserputz.

Worin nun der Zusammenhang besteht? Wie sich die menschheitsgeschichtliche Liaison zwischen Zwei- und Vierbeinern zeitgeschichtlich zu Buche schlägt? In der sozialisierten Mehrgleisigkeit. Wo die Weichen gestellt wurden? Mein undurchsichtig blinder Gedankenfleck in der Beweiskette. Die Auswirkungen sind dennoch und trotzdem glasklar: während die Kuh ihren Müll heckwärts entlädt, spuckt das zweibeinige Rindvieh verbal flüssige Exkremente am oberen Ende ins Universum.

„Jo Oida, ob des jetzt gscheit woa?“

© Gudrun Salzer 2020-10-12

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