Süße Wassermelone

Sylvia Zemlyak-Böhm

von Sylvia Zemlyak-Böhm

Story

Wer schon einmal ein unglaubliches Verlangen oder einen Heißhunger verspürt hat, weiß, wovon ich spreche. Jede Faser des Körpers ist von diesem Gedanken erfüllt und man kann gar nicht anders, als sich diese Befriedigung zu gönnen, wonach man sich verzehrt. Meistens ist es Schokolade aber diesmal war es etwas anderes.

Die Luft war heiß und stickig, kein Lüftchen wehte, das Thermometer zeigte 36 Grad. Meine zwei Freundinnen und ich lagen am Strand von Rhodos, der viertgrößten Insel Griechenlands, der größten Insel des Dodekanes und sicherlich eines der faszinierendsten Reiseziele im Mittelmeer. Wir lauschten dem Rauschen der Wellen und genossen unser Dasein. Plötzlich, wie aus dem Nichts, tauchte diese Sehnsucht nach etwas Bestimmtem auf. Ich versuchte, dieses Gefühl einzuordnen, und mit einem Mal wusste ich, was es war. Es war der Gedanke und das Verlangen nach einer saftige, süße, wunderbare Wassermelone. Von meiner Sehnsucht getrieben, sagte ich meinen Urlaubsbegleiterinnen, dass ich trotz der sengenden Hitze in die Stadt gehen würde. Begeistert boten sie mir an, mich zu begleiten. In Bikini und Strandkleid machten wir uns auf den Weg. Die Stadt lag zwei Kilometer entfernt. Ausgestattet mit sportlichem Willen fanden wir, dass diese Strecke zu Fuß gut zu bewältigen sei. Ein Stück gingen wir auf der Asphaltstraße, die in der Hitze flimmerte. Der Rest des Weges führte uns über die zu dieser Jahreszeit ausgetrockneten Wiesen mit einem bunten Teppich aus vertrockneten Wildblumen. Keine Schatten spendenden Bäume weit und breit. Unsere Wasserflaschen waren schnell geleert und die kurze Strecke erwies sich als fast unüberwindbar. Endlich in der Stadt angekommen, besuchten wir den Markt mit dem noch immer vorhandenen Verlangen nach einer saftigen Wassermelone. Die verschiedenen Obststände waren wunderschön anzusehen. Es dauerte nicht lange, bis wir die größte Melone gefunden hatten. Der junge Grieche, der den Stand betrieb, hatte Mitleid und schenkte uns ein paar Nektarinen. Bepackt mit der großen Melone machten wir uns auf den Heimweg. Noch geschwächt vom vorherigen Marsch waren unsere Kraftreserven schnell aufgebraucht. Nur schleppend kamen wir voran. Das Gewicht der süßen Verführung war beträchtlich, sodass wir uns beim Tragen abwechseln mussten. Die Euphorie war den Strapazen gewichen. Schweißgebadet und völlig erschöpft kamen wir nach einer gefühlten Ewigkeit endlich in unserem Ferienapartment an. Nun kam der angenehme Teil, dieses wunderbare Kürbisgewächs aufzuschneiden und unseren Appetit zu stillen. Die nächste Herausforderung war, die Riesenmelone mit einem kleinen Buttermesser zu teilen. Ein anderes Schneidwerkzeug war in unserem Feriendomizil nicht zu finden. Mit viel Mühe schnitten wir sie in drei Teile. Noch in Badekleidung aßen wir sie gierig auf. Nachdem wir unseren Heißhunger gestillt hatten, sahen wir uns an und brachen in schallendes Gelächter aus. Nicht nur, dass wir diese verrückte Idee bei einer Außentemperatur von fast vierzig Grad in die Stadt zu gehen in die Tat umgesetzt hatten, waren wir am ganzen Körper mit rotem Melonensaft beschmiert und unsere Terrasse sah aus wie nach einem Massaker. Dieses Erlebnis bekam einen besonderen Eintrag in unserem Reisetagebuch. Die Fotos bringen uns heute noch zum Lachen.

© Sylvia Zemlyak-Böhm 2024-07-29

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Abenteuerlich, Komisch
Hashtags