Bei unserer Indienreise besuchten wir, eine Gruppe von 15 Personen, natürlich auch in Agra das Taj Mahal. Unser Führer bot uns an, gegen ein Trinkgeld von einigen Rupien könne er es ermöglichen, dass wir bei Sonnenaufgang bereits eingelassen würden, anstatt normal um 9 Uhr. Gerne nahmen wir das Angebot an.
Um 6.30 Uhr, in der Morgendämmerung, näherten wir uns in großer Erwartung dem weltberühmte Denkmal einer großen Liebe. Wir treten ein durch das 30m hohe Tor aus rotem Sandstein, verziert mit weiß eingelegtem Marmor und Koransprüchen. Der Aufsatz des Torbogens, verziert außen und innen mit 11 Kuppelchen, ein Symbol für 22 Jahre Bauzeit.
Von dort fiel unser Blick auf die weiträumige Gartenanlage. Das Taj Mahal hebt sich unscharf und geisterhaft wie etwas Überirdisches, aus dem Nebel ab, der vom dahinter liegenden Yamunafluss aufsteigt und durch die aufgehende Sonne rosarot erscheint, und langsam immer mehr an Deutlichkeit und Farbe zeigt. Im Eingangstor singt ein Inder, der gerade den Taubenmist wegkehrt, mit einer eigenartigen hohen Stimme eine indische Melodie.
Größe, Harmonie und das Spiel des Lichtes vermitteln einen Gesamteindruck, wie kein Bild es wiederzugeben vermag. Man ist berührt und ergriffen, versucht es, mit allen Sinnen zu erfassen, es einzuprägen. Es war unwirklich schön, wie ein Traum.
Das Mausoleum aus weißem Marmor erhebt sich am hinteren Ende der Gartenanlage im Schein der Morgensonne und spiegelt sich im langen, von Zypressen gesäumten Wasserbecken. Es wurde erbaut auf einer 96m hohen Plattform am Südufer der Yamunaflusses vom Großmogul Shah Jahan im Gedenken an seine große Liebe Mumtaz Mahal (Juwel des Palastes) nach ihrem Tod 1631. Sie starb nach 18 jähriger Ehe bei der Geburt ihres 14. Kindes, als sie ihren Mann in die Schlacht begleitete. Bauzeit war 22Jahre, 20.000 Arbeiter und besondere Künstler aus aller Welt waren beschäftigt.
Flankiert wird das Mausoleum von einer Moschee aus rotem Sandstein links und dem Versammlungssaal rechts und von vier Minaretten. Zusammen mit der ausgedehnten Gartenanlage und dem langgezogenem Wasserbecken ergibt das ein Ambiente, das seine außerordentliche Schönheit und Harmonie noch unterstreicht.
Unter der 75m hohen Kuppel sind die reich verzierten Kenotaphe von Mumtaz Mahal und Shah Jahan, die eigentlichen Gräber liegen in der Krypta. Die Feinheit des ganz mit Marmor verkleideten Baus unterstreichen Intarsien und Kalligrafie aus andersfarbigen Steinen. Die herrlichen Pietra-dura Einlegearbeiten mit farbenprächtigen Edel- und Halbedelsteinen sind zu wunderbaren Blumen- und Pflanzenmotiven verarbeitet und in arabischer Schrift alle Verse aus dem Koran eingelegt.
Mit der Schlichtheit seiner Architektur und der Ausgewogenheit seiner Gliederung ist es sicher eines der schönsten Bauwerke der Welt und die Besichtigung beim Sonnenaufgang gehört zu den tiefsten Eindrücken unserer Indienreise.
© Adelinde Barilich 2020-09-03