von Karla Tanguay
Ich kotze gleich vor Genugtuung. Noch immer liegst du auf dem Boden. Ich weiß genau, was du suchst, aber ich helfe dir ab jetzt nicht mehr. Es gibt keinen Ausweg, weil das Problem nun in dir ist. Ich gebe dir deinen Körper nicht zurück, ich denke nicht daran. Ich kann deine Gedanken förmlich hören, sie kreischen schrill zu mir herüber, aber prallen an meinem neuen gesunden Geist ab. Sie sind Überbleibsel einer absurden Befindlichkeit, die nichts mehr mit mir zu tun haben.
Warum weinst du? Vor Schmerz, oder vor Schreck, dass du das erste Mal Suizidgedanken hast? Deine ersten Suizidgedanken! Ich habe richtig Lust das für dich zu feiern und da du nicht imstande bist, aufzustehen, werde ich für dich hüpfen, jetzt, da ich das kann. Tanzend umkreise ich dich und werfe meine gesunden Beine in die Luft. Während du vor dich hin wimmerst, klatsche ich in die Hände, hier schau, ich kann springen! Ist das schön, zu springen! Ist das schön, dass dein Kopf sich mit mir freut.
Dann hocke mich vor dich hin. Du liegst ja ganz verkrampft auf dem Boden! Soll ich dir einen Tee bringen? Schon während ich es ausspreche, kann ich den Spott nicht überhören, mit dem ich die Worte ausspreche. Du schüttelst mit aufgerissenen Augen den Kopf, es wird nicht helfen.
Du möchtest lieber sterben, richtig?
Ich hätte dir den Tee ins Gesicht geworfen, hättest du gewollt. Ich hasse sowohl den Körper, als auch den Kopf, in dem du da steckst. Da kannst du gar nichts für, aber nun ist es eben deiner, ich hatte ihn mir auch nicht ausgesucht. Du setzt dich hin. Ich habe wieder den Wunsch, deine erste Bewegung mit chronischen Schmerzen und suizidalen Auswegsfantasien zu feiern. Aber mir ist nicht mehr nach tanzen, ich schaue dir lieber zu, wie du aufstehst. Kurz wundere ich mich, weil du das so schnell schaffst und ich frage mich, ob ich schwächer bin als du. Aber du zeigst mir das Gegenteil. Wenn du stehst, siehst du aus wie ein umgedrehtes großes L. Du kannst nicht einmal richtig stehen und mein Kopf schlägt dir wahrscheinlich wieder neue Wege vor, dein schmerzhaftes Dasein zu beenden.
Das ist nicht mehr mein Problem. Ich will, dass du leidest. Ich will, dass du merkst, wie deine physischen und psychischen Grenzen dauerhaft überschritten werden und ich will, dass du mich ansiehst mit meinem mitleidigen Blick. Ich kriege nicht genug. Ich kriege einfach nicht genug davon, wie du weinst, wie du dir den Bauch hältst, wobei du dir eigentlich den Kopf halten müsstest, da kommt der Todeswunsch her, nicht aus dem Bauch. Aber das weißt du noch nicht. Du denkst, dass da was im Bauch nicht stimmt. Kennst du das Wort psychosomatisch?
Setzt du dir gerade ein Datum, wie ich damals?
Während du deine ersten Schritte gehst, mit gebeugtem Körper und deinen ersten Selbstmordgedanken, fange ich an zu rennen. Ich renne und renne und renne weit weg von diesem endlich endenden Spuk. Ich werde rennen, bis mir die Lunge brennt, weil ich weiß, dass sie sich erholt und in diesem Körper wieder Frieden einkehrt.
© Karla Tanguay 2022-08-16