von Runa_Nox
Für ein Familienfest war ich heimgekehrt und saß nun wieder mit meiner Familie am Tisch. Es war das erste Mal, seit ich für mein Studium ausgezogen war und auch den Kontakt weitestgehend eingeschränkt hatte. Nun war ich also wieder da und fast genau in dem Moment, in dem ich meinen ersten Schritt in mein ehemaliges zu Hause machte, bereute ich diese Entscheidung auch schon wieder. Jetzt, am Tag danach, saß ich müde und mit viel zu vielen Menschen am Tisch, die ich eigentlich gar nicht sehen wollte. Was tat man aber nicht alles für die Hochzeit seiner Cousine, mit der man die meiste Zeit seiner Kindheit verbracht hatte? Nervige Menschen in Kauf nehmen auf jeden Fall.
„Hättest du dir nicht wenigstens für heute und nur für die paar Stunden etwas Richtiges anziehen können?“ Meine Mutter hatte natürlich an meinem Outfit etwas auszusetzen und sei es nur, dass sie mich nicht in ein Kleid hatte zwängen können. „Ich finde mich angemessen angezogen für eine Hochzeit“, gab ich leise und bissig zurück. Diese Kommentare hatte ich definitiv nicht vermisst! Ihr Blick ging einmal von oben nach unten an meinem Hosenanzug entlang und ihr Mund verzog sich zu einem säuerlichen Gesichtsausdruck. „Wenn du meinst …“ Augenrollend sah ich demonstrativ in die andere Richtung, was ein schwerwiegender Fehler war. „Sag mal, hast du an der Uni endlich mal einen Freund gefunden?“ Meine Tante blickte mir freudig gespannt in die Augen. Hätte ich mich doch bloß nicht in ihre Richtung gedreht! „Nein“, antwortete ich genervt, „ich habe keinen Freund.“ „Aber du bist doch so eine hübsche Frau, wie kann das denn sein?“ Langsam verlor ich wirklich noch die Nerven hier. Ich war für die Hochzeit meiner Cousine da und nicht für mein eigenes Liebesleben. „Ich weiß es doch auch nicht“, antwortete ich schulterzuckend. Natürlich wusste ich es, ich stand nicht auf Männer und hielt sie mir, so gut ich konnte, vom Leib. Das wusste auch meine Familie, aber akzeptieren? Nein, das passierte natürlich nicht. „Aber da gibt es doch bestimmt ein paar schöne junge Männer, oder?“ Keine Ahnung, hübsche junge Frauen gab es dort auf jeden Fall. „Ich habe ehrlich gesagt gar nicht so viel Zeit, ich konzentriere mich eher auf mein Studium und meine Noten“. Der klassische Ausweg aus den Fängen der gefährlichen Fragen. „Du hast doch bestimmt schon neue Freunde gefunden, mit denen du auch lernst. Sind da denn auch Jungs dabei?“, mischte sich meine Mutter von der anderen Seite jetzt wieder ein. Seufzend nickte ich und vermied den direkten Augenkontakt mit ihr. „Na siehst du. Die könntest du doch mal genauer anschauen, dann könntest du mit ihnen lernen und kriegst gute Noten, aber du hast auch einen Freund!“ Selbstzufrieden blickte sie in die Runde. Konnte diese Obsession mit meinem Liebesleben nicht einfach aufhören? Und danke Mutter, ich wusste schon, wie man sich eine Partnerin angelte, aber eben keinen Partner. „Schwesterlein, da hast du ja wieder mal einen vorzüglichen Plan“, brachte sich meine Tante wieder ins Spiel und blickte mich direkt an, „hör doch mal auf deine Mutter!“
„Ich gehe mal schnell auf die Toilette“, murmelte ich und lief schnell aus dem Saal. Versteckt in einer Toilettenkabine zog ich mein Handy aus der Tasche und tippte „Ich halte das hier nicht mehr aus, ich komme nach Hause mein Schatz. Ich liebe dich!“
© Runa_Nox 2025-06-08