Was ich noch hätte sagen können.

Svenja Jung

von Svenja Jung

Story
2017 – 2019

Es dauerte keine vierundzwanzig Stunden bis ich zurück ins Café ging. Ich wünschte, ich könnte sagen, es war aus wichtigen Gründen, aus moralischen, nostalgischen Gründen.

Aber das Café liegt auf meinem Nachhauseweg.

Es war ein langer Tag, kein besonders schöner Tag. Ich vermisse ihn. Manchmal beendet etwas nicht, weil man es nicht mehr will, sondern weil einfach zu viel passiert ist. Ich habe keinen neuen Partner. Ich hab niemanden, durch den ich ihn ersetzen wollte. Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich alles durch ihn ersetzt.

Er ist das Beste, was mir je passiert ist, ganz ehrlich. Aber ich musste irgendwann mir selbst eingestehen, dass wir andere Leben führen. Und auch weiterhin führen wollten. Ich betrat das Café, sah immer noch sein trauriges Gesicht vor mir. Ich hab es versucht, dachte, er würde wirklich was anders machen. Während ich zur Theke ging, passierte ich den Tisch, an dem wir erst gestern gesessen haben.

Mir fiel etwas ins Auge, ich denke zuerst, es wäre nur auch wieder eine Erinnerung. Aber tatsächlich, unter dem Tisch lag sein Armband. Er trug es jeden Tag, seit wir uns kannten. Es schien ihm viel zu bedeuten. Er erzählte mir nie, wo es herkam. Ich wusste, dass ich es ihm zurückbringen musste.

Vielleicht in den Briefkasten werfen? Wäre das unhöflich?

Ich griff nach dem Armband, der Verschluss ist gebrochen. Ich steckte es in meine Jackentasche, bestellte einen Kaffee und machte mich auf den Weg. Ich würde es ihm zurückgeben, aber nicht heute. Das tat mir zu sehr weh und ich kann mir vorstellen, dass es ihm wohl auch wehtat. Ich wohnte nicht weit vom Café, konnte den Weg zu Fuß bestreiten. Daheim legte meinen Mantel und meine Tasche ab, wollte das Armband herausnehmen, um daran zu denken.

Als würde ich das nicht sowieso tun.

Vielleicht war das ja Schicksal, vielleicht sollte ich es ihm zurückbringen. Aber vielleicht war es auch lediglich ein altes Armband, dass auf jeden Fall irgendwann kaputt gehen würde. Ich griff ins Leere. Es war nicht mehr da. Hektisch suchte ich in meinen anderen Taschen, unauffindbar. Es war nicht mehr da. Ich begann zu weinen, das erste Mal seit es vorbei war.

Niemals konnte ich etwas richtig machen. Nichts konnte ich aufrechterhalten. Ich konnte nicht mal auf ein Armband aufpassen. Ich blieb im Flur stehen, dachte darüber nach, wo ich es hätte verlieren können, ob ich es suchen gehen soll, aber dann wurde mir klar, dass es wahrscheinlich genauso Schicksal war. Ich sollte ihn in Ruhe lassen.

Ich hätte mir mehr Mühe geben müssen. Für ihn. Für uns. Ich hätte auf das Armband aufpassen müssen.

Ich hätte auf unsere Beziehung aufpassen müssen.

© Svenja Jung 2021-03-07

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