„Weltschmerz“ ist wahrscheinlich der passende Begriff für meine Gefühlslage. Definiert wird dieses Wort mit einer seelischen Grundstimmung von prägendem Schmerz und Traurigkeit. Wird die Welt jemals heil? Wie lange bleibt uns noch? Können wir es gemeinsam schaffen? Das sind Fragen, die ich mir täglich, wenn nicht sogar stündlich, stelle.
Ich würde diesen Text am liebsten optimistischer verfassen, um meiner Generation und den nachkommenden, Zuversicht schenken zu können. Es fühlt sich in gewisser Weise auch zu egozentrisch an, meine negative Einstellung mit so vielen Menschen zu teilen, denn das letzte, was ich möchte, ist anderen die Hoffnung zu nehmen. Mein größter Wunsch ist es jedoch, jungen Menschen die Gewissheit zu geben, dass sie nicht die einzigen sind, die furchtbare Angst haben.
Ich bin junge 21 Jahre alt und seit einiger Zeit Aktivistin und Hobbyfotografin. Da ich von klein auf mit dem Selbstverständnis aufwuchs, dass alle Menschen gleich sind und dass die Natur, dass Mutter Erde unsere Heimat ist, trifft mich das Gefühl des „Weltschmerzes“ umso härter. Weil ich als Kind den Großteil meiner Freizeit in der Natur verbrachte, ist sie bis heute ein Rückzugsort, wenn mir alles zu viel wird. Sie ist die Einzige, die mir das Gefühl gibt, mit etwas Größerem, etwas Mächtigerem, als der Menschheit verbunden zu sein. So mächtig, dass sie nicht einmal von dieser zerstört werden kann. Oder?
An meinem einzigen Rückzugsort schleichen sich seit Jahren Gedanken in meinen Kopf. Ich schaue in den Wald, fotografiere die Tiere, genieße die Sonne in meinem Gesicht – plötzlich wird mir schlecht. Ich denke daran, wie viele Quadratkilometer Wald in diesem einen Moment zerstört werden, wie viele Menschen leiden, wie viele Tiere sich zusammengepfercht in einem LKW auf einer stundenlangen Reise befinden, nur um geschlachtet zu werden. Bevor ich es bemerke, befinde ich mich in einem Gedankenkreislauf, aus dem ich nur schwer einen Weg hinausfinde. Ich fühle mich ohnmächtig.
Als Aktivistin bin ich immer nah an aktuellen Geschehnissen dran. Wieder muss ein guter Freund von mir das Land verlassen, weil er nicht hier geboren wurde. Wieder werden Aktivist:innen ins Gefängnis gebracht, weil sie für ihre Zukunft einstehen. Wieder wird Journalist:innen gedroht, weil sie die Pressefreiheit verteidigen.
Um allen Leser:innen nach all diesen bedrückenden Worten trotzdem Hoffnung schenken zu können, möchte ich teilen, was ich als Aktivistin auch erlebe. Wieder haben wir es geschafft, dass kein fossiles Großprojekt gestartet wird. Wieder haben wir es geschafft, die Abschiebung eines Kindes zu verhindern. Wieder waren wir auf der Straße und haben gemeinsam laut und stark für eine gerechtere Zukunft gekämpft.
Lasst uns laut bleiben. Lasst uns stark bleiben. Lasst uns gemeinsam weiterkämpfen!
© Sarah Lena Schlegel 2022-05-23