Wer bin ich?

Sitzplatzwahl zum Jahresbeginn. Eine verdammt unangenehme Situation.

Da sitzen die Coolen, da die Schönen, hier die Streber, dort hinten die Sportler und irgendwo muss ich jetzt hin. Ich wippe nervös von einem Fuß auf den anderen. Die anderen gucken schon. Cool, zickig, nerdy oder sportlich – Wer bin ich eigentlich?

Neben all den Klausuren, Referaten, Tests und Hausaufgaben in der Schule, gibt es auch sonst noch einiges zu stemmen: Eine glückliche Beziehung führen, Zukunftspläne schmieden, ein brillantes und erfolgversprechendes Hobby ausüben, bloß nicht zu schlimm pubertieren und endlich einmal Ich werden. Selbstfindung heißt das. Jeden Tag sagen sie mir, was richtig und was falsch ist, aber bei diesem Thema bin ich auf mich alleine gestellt. Für mich ist das eine Herkulesaufgabe.

Für die Jugend-Kategorie „Bitch“ war ich bereits zu lange single. Und ich bin nicht blond genug. Vielleicht rasiere ich mir meine Haare ab und werde dadurch zur lesbischen Feministin. Oder ich nehme die Rolle als jungfräuliches Mauerblümchen, das dann irgendwann im Alter von achtzig Jahren allein mit zwanzig Katzen stirbt. Auch eine Möglichkeit, gegen die Katzen hätte ich nichts.

Die Öko-Tante wäre auch noch möglich, dazu sollte ich nächsten Sonntag mit Jutetasche und Fahrrad auf dem Flohmarkt im Café aufschlagen. Für mehr Coolness müsste ich aber ganz dringend mal ausgiebig bei Zara oder Primark shoppen gehen. Je nach Clique wäre womöglich auch H&M okay. Na, und ich bräuchte auch noch ein paar mehr Follower auf Instagram. Unter 2000 Abonnenten ist man sowas wie sozialtot.

„Dein Style ist furchtbar.“ „Du bist aber dick.“ „Hässlich.“ „Voll uncool.“ „Streeeeber!“ „Geh doch sterben.“

Meine Mitschüler haben immer den passenden Spruch auf Lager, um mir das neue Label gleich wieder madig zu machen.

Tja, herzlich willkommen bei der Identitätsbildung des einundzwanzigsten Jahrhunderts.

Also, was jetzt? Rechts, links? Wo zum Teufel soll ich sitzen? Wer bin ich, wer will ich sein?

Braune Haare und Brille. Bequeme Klamotten, je nach Anlass schick. Sozialkritisch. Veganerin. Gute Noten, bis auf Latein und Mathe. Ich liebe Krafttraining. Schreiben ist mein Hobby.

Ich entscheide mich für einen Einzelplatz an der Wand. Gute Sicht zur Tafel und ich bin ungestört.

Manchmal laut, manchmal leise. Chillig und ehrgeizig. Cool, aber albern.

Hallo, ich bin Rebekka.