Wer drei Mal niest …

Story

… ist ein guter Christ. Das sagte unser Pfarrer in der Volksschule immer, wenn er niesen musste. Und er bemühte sich sehr, genau drei Mal zu niesen, nicht mehr und nicht weniger. Er hielt sich schließlich für einen guten Christen.

Ich als Volksschulkind hatte aber das ganz deutliche Gefühl, dass es ein Unrecht war, so etwas von sich selbst zu sagen, ja geradezu Blasphemie, obwohl ich das Wort gar noch nicht kannte. Und was soll das Niesen mit der Religion zu tun haben? Mein Mann, der sehr gläubig ist, meint, das sei ein Scherz gewesen, aber diesen Eindruck hatte ich nicht.

Unser Pfarrer war noch ein Pfarrherr vom alten Schlag, immer deutlich erkennbar als solcher an der langen schwarzen Soutane, damals in den 60er Jahren. Später wurde er auch Dechant. Da war es auch noch üblich, dass der Pfarrer in den Volksschulen den Religionsunterricht abhielt. Wahrscheinlich war damals keine zusätzliche Qualifikation, beispielsweise in Pädagogik, nötig.

Der sonntägliche Kirchenbesuch wurde kontrolliert. War man in der Messe gewesen, bekam man ein goldenes Sternchen in ein kleines Heftchen geklebt. War man nicht da gewesen, musste man einen guten Grund nennen oder wurde ermahnt, mit erhobenem Zeigefinger.

Ich war eine brave Kirchgängerin, weil meine Eltern auch in die Kirche gingen, aber ich tat es sehr ungern. Es war unendlich langweilig, ich zählte die Kerzen und schaute, wie viele davon brannten und wie viele nicht. Nur das Singen gefiel mir, wenn es die Schubert-Messe gab, die ich heute noch mag. Sogar die Texte kann ich noch.

Weiters wusste ich mit der Kirche nichts anzufangen, was sicher auch daran lag, dass mir außer Messe und Religionsunterricht nichts Kirchliches nahegebracht wurde. Dass es auch so etwas wie ein kirchliches Sozialleben mit Veranstaltungen und dgl. gab, wusste ich gar nicht, aber vielleicht war das damals auch noch nicht so üblich wie heute. So gab es nur die Sonntagsmesse, der ich oft durch Kopfweh, Bauchweh oder Halsweh zu entgehen suchte, was auch manchmal funktionierte. Sonst zählte ich halt wieder Kerzen.

Und brav musste man sein in der Messe! Der Pfarrer unterbrach sogar die Predigt, wenn ein kleines Kind einen Mucks machte, und wies darauf hin, dass man ein Kind erst in die Messe bringen sollte, wenn es sich entsprechend zu benehmen wusste. Das war genau die richtige Methode, um künftige Kirchgänger zu vergraulen.

Natürlich habe ich mit diesem Pfarrer Pech gehabt und es wird auch andere gegeben haben. Doch er war wohl schon typisch für diese Zeit, als die kirchliche Autorität besonders auf dem Land noch sehr stark war. Mir aber hat er das Kirchengehen bis heute verleidet, aber ein wenig beneide ich Menschen, die religiös sein können und daraus Kraft und Lebenssinn gewinnen. Ich gehe bis heute nur “alle heiligen Zeiten” einmal in eine Messe, aber ich bin auch von Natur aus kein spiritueller Typ, der das Religiöse in welcher Form auch immer braucht. Nur das kirchliche Sozialleben schätze ich mittlerweile durchaus.

© 2022-02-28