„Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt, denn das ist meine Welt und sonst gar nichts…“
Dieses Lied machte Marlene Dietrich 1931 in dem Film „Der blaue Engel“ zum Vamp und die damals noch unbekannte Schauspielerin zum Weltstar – als fesche Lola, die den biederen Professor Rath, gespielt von Emil Jannings, in den Untergang trieb. Von dem Komponisten Friedrich Hollaender stammt nicht nur die Musik, sondern auch der Text. Und der entstand per Zufall, mit einem Schimmel.
Schimmel nennen die Textdichter sinnlose Wörter, die man probeweise auf eine Melodie legt, um das „Lalala“ zu vermeiden. Erst wollte Hollaender gar nichts einfallen, dann improvisierte er drauflos. „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt, denn das ist meine Welt … und sonst gar nichts. Das ist, was soll ich machen, meine Natur, ich kann halt lieben nur und sonst gar nichts.” Als er fertig war, gab es von allen Seiten Beifall. Hollaenders Einwand, das sei doch nur ein Schimmel, blieb ungehört. „Emil Jannings sprach aus, was alle dachten: Wat heeßt hier Schimmel? Det isses! Und dabei bleibt es“, erzählte Hollaender in seinen Lebenserinnerungen.
Friedrich Hollaender wurde am 18. Jänner 1896 als Sohn des jüdischen Operettenkomponisten Victor Hollaender und der Revue-Sängerin Rosa Perl in London geboren und wuchs in Berlin auf. Bei Engelbert Humperdinck studierte er in der Meisterklasse Klavier. Nach dem Ersten Weltkrieg – Hollaender blieb vom Kriegseinsatz verschont – gründete er mit Kurt Tucholsky, Klabund, Mischa Spoliansky, Walter Mehrung und der Schauspielerin Blandine Ebinger, seiner späteren ersten Ehefrau – es sollten noch drei weitere folgen – ein Kabarett. Er schrieb für Rudolf Nelson Revuen, eröffnete das Tingel-Tangel-Theater und vertonte Filme. „Der blaue Engel“ machte auch in den USA Furore. „Ich bin von Kopf bis Fuß“ wurde zu „Falling in love again“.
„Ob es regnet, ob es hagelt, ob es schneit, ob es blitzt. Ob es dämmert, ob es donnert, ob es friert oder ob du schwitzt – an allem sind die Juden schuld…“ So nahm Friedrich Hollaender 1931 den aufkeimenden Antisemitismus aufs Korn. Zwei Jahre später musste er Deutschland verlassen. Der Weg führte ihn zuerst nach Paris, dann in die USA. Im Exil traf er wieder Marlene Dietrich, gründete ein neues Tingel-Tangel-Theater und schrieb für 100 Filme Musik und Texte, darunter „The Talk of the Town“(„Zeuge der Anklage“), „A foreign Affair“ („Eine auswärtige Affaire“) und „Sabrina“ (Regie: Billie Wilder).
1955 erfolgte die Rückkehr nach Deutschland und der holprige Neustart in München. Die große Zeit des Kabaretts war vorbei, der Ruhm verblasst. Friedrich Hollaender starb am 18. Oktober 1976. „Wenn ick ma tot bin, sollse an ma denken“, schrieb er für Blandine Ebinger. Die Berliner tun’s heute noch. In Charlottenburg-Wilmersdorf erinnert der Friedrich-Hollaender-Platz an ihn.
© 2021-03-19