von Flaco
ich bin wiener, ein tiefer und ein tiefroter, das nicht nur, weil ich aus meidling, sondern auch aus dem bau bin. der gemeindebau, relikt des roten wien. menschen die im wienerwald, in notdürftigen hütten, am wienerberg in den höhlen der ziegelgruben lebten, fanden ein würdiges leben und zuhause in den arbeiterburgen, die anfang des zwanzigsten jahrhunderts von architekten aus der schule otto wagners, mit den mitteln der, von hugo breitner durchgesetzten, wohnbausteuer errichtet wurden. “wer soll die steuern zahlen, die armen oder die reichen?”
ich bin im (platten)gemeindebau aufgewachsen, meine großmutter wohnte noch in einem der (schönen) alten. in meinem bau kennen mich die meisten schon seit immer.
„ma kriagt des kind ausn bau, oba den bau ned ausn kind“ (sogt de mama). so schloss ich mich, als gemeindebaukind mit klassenbewusstsein, auf der uni, dem “roten börsenkrach”, einer fachschaftsliste der gruppe revolutionärer marxisten, an. “wer mit 20 nicht revolutionär ist hat kein herz, wer es mit 50 noch ist hat kein hirn” sagt man (ich denke, „hirn“ wird überschätzt).
“wer zum faschismus nein sagt und ja zum kapital, dass der das nur zum schein sagt, ist ein klarer fall” wer neo-hippie (wie ich) war und aus der arbeiterkultur stammte, lebte die proletenpassion. willi resetarits erzählte darin mit seinen schmetterlingen, in der art brechtscher moritaten, alles was ich über die revolution wissen musste.
in den achtzigern tauchte “ostbahn kurti”, der bruce springsteen aus favoriten, auf. “lossts eich nix gfoin!” der wahlspruch. er war, wenn auch kunstfigur, mit seiner “chefpartie”, einer von uns. ein ausgedienter schlachthof, der, von jugendlichen und künstlern unter der führung vom willi besetzt und zum ersten selbstverwalteten jugend und kulturzentrum geworden war (und das noch heute ist). die “arena”, wurde unser zweites zuhause.
dem kurti gelang es, mit einem doppler burgenländischen weines bewaffnet, das rotzig trotzige wienerlied rock n roll werden zu lassen.
“inländer rum statt ausländer raus” selbst angehöriger einer minderheit (der burgenlandkroaten) stellte er seine beliebtheit jahrzehntelang in den dienst gelebter menschlichkeit gegenüber benachteiligten. was ihm später eine vielzahl von preisen und ehrungen einbrachte, die er mehr als verdiente. auch wenn sie ihm sicher nie so wichtig waren wie die sache selbst (sos mitmensch, integrationshaus).
wien, mein rotes wien, das vielfältige, ungarisch, bemisch, kroatische, das weinselig raunzende, schimpfende, morbide wien und seine kultur des friedlichen miteinanders, des gemeindebaus, hat einen seiner kreativsten und liebenswertesten geister verloren, ist nicht mehr was es mit dr. kurt ostbahn war.
“verkaufts mei gwand i foah in himme” und spendet den erlös dafür an das integrationshaus, das würde dem willi gefallen. er ist nicht mehr, wird trotzdem weiter wirken. sehr traurig ist und macht es mich “waun die musik vorbei is”.
© Flaco 2022-04-25