von Franz Brunner
Manchmal, aber wirklich nur manchmal, da möchte ich wie der Zorro sein. So wie der mutige RĂ€cher in Schwarz, bei dem wirklich alles schwarz ist. Kleidung, Gesichtsmaske, Haare und sogar sein Pferd. Einzig seine Seele, die ist weiĂ, blĂŒtenweiĂ. Nun, wollen wirâs nicht ĂŒbertreiben, einigermaĂen weiĂ reicht, Zorro ist ja auch nur ein Mensch und vor kleinen Ausrutschern nicht gefeit. Ich blicke prĂŒfend auf meine Finger. Ja doch, die FingernĂ€gel, die sind absolut sauber, die haben nicht schwarz zu sein. Ein absolutes No-Go, ich lege groĂen Wert auf gepflegte HĂ€nde. ZurĂŒck zu Zorro, der sich im Schutz der Dunkelheit tollkĂŒhn auf Balkone in obersten Etagen hochschwingt, den Bösewichten die Leviten liest und meist junge, hĂŒbsche Damen aus ihren FĂ€ngen befreit. Zu guter Letzt hinterlĂ€sst er seine Visitenkarte auf der Stirn des ĂbeltĂ€ters. Zack, zack, zack, drei Striche, ein stilvolles Z mit der Peitsche auf seine Stirn gezeichnet, eine schmerzliche Erinnerung, die sich der Gauner hoffentlich merken wird. Die gute Tat ist kaum vollbracht, ist Zorro auch schon wieder weg, in die Dunkelheit abgetaucht, die GerĂ€usche der Pferdehufe verebben in der Ferne. ZurĂŒck bleibt der Hauch von Heldentum und stiller Gerechtigkeit, die sich wie eine wohlige Decke ĂŒber das geplagte Land legt.
Ja, so habe ich diesen Zorro in Erinnerung. Ob nun Errol Flynn, Antonio Banderas oder weitere Nachahmer, die Gerechtigkeit hat stets gesiegt, sĂ€mtliche eingesperrte Damen wurden schadlos befreit. NatĂŒrlich passt das heute nicht mehr, schwarze Pferde im innerstĂ€dtischen Bereich sind selten und unangebracht, das Tragen einer Maske hingegen wĂŒrde derzeit kaum auffallen. ZeitgemÀà wĂ€re es, mit einem giftgrĂŒnen Motorrad und mit ebensolchem Helm durch den GroĂstadtdschungel zu sausen, Verkehrs-Rowdys gnadenlos auszusondern und ihrer gerechten Strafe zuzufĂŒhren. Oder, wennâs noch mehr Abenteuer sein soll, auf der Autobahn einen Tiertransporter aufzuhalten, den Fahrer querfeldein fortzujagen, die Schweine freizulassen und sie ihm hinterherzuhetzen. Da tun sich allerdings zwei Probleme auf: zum einen blieben die HintermĂ€nner verschont, zum anderen habe ich keinen Motorrad-FĂŒhrerschein. Ich grĂŒble nach Lösungsmöglichkeiten, denn mein Streben nach mehr Gerechtigkeit auf der Welt lĂ€sst sich nicht so ohne weiteres abwĂŒrgen. LĂ€cherlich, so ein rosa Plastik-KĂ€rtchen soll darĂŒber entscheiden, ob ich Bösewichte verfolgen darf oder nicht. In all den Batman-Heften, die ich in meiner Jugend gelesen habe, wurde der Retter im Fledermaus-Outfit niemals nach dem FĂŒhrerschein gefragt. Da fĂ€llt mir ein, ich wollte mir in absehbarer Zukunft ohnehin ein E-Bike kaufen, muss Zorro eben ein wenig Sport betreiben. Lachen Sie bitte nicht, sondern klatschen und jubeln Sie, wenn Ihnen demnĂ€chst eine Riesenfledermaus auf einem E-Bike begegnet, ich mach’s nur der Gerechtigkeit wegen.
© Franz Brunner 2021-01-13