von Patrik Bruna
In den folgenden zwei Wochen bin ich mit einem überdeutlichen Gefühl der Einschüchterung und Sorge zu meinem Haus gefahren. Ich hatte mich so sehr auf die Fertigstellung und den Umzug gefreut, aber nur beim Gedanken daran, mich dorthin begeben zu müssen, um nach dem Rechten zu sehen sowie das Haus ordentlich durchzulüften, damit kein Schimmel entstand, wurde mir schlecht. Hätte ich in jener Zeit einen Wunsch frei, hätte ich dieses ganze Bauvorhaben wieder verworfen – so sehr belastete mich die Auseinandersetzung mit meinem Nachbarn.
Meine Vertrauten sprachen mir gut zu; sie rieten mir, einfach diesem Rüpel aus dem Weg zu gehen und ihn nach bester Möglichkeit zu ignorieren; andere boten sich an, mir bei einer Aussprache zu helfen, aber wäre dieser Kerl überhaupt zu einem Gespräch bereit?; wieder andere waren davon überzeugt, dass ich ihm gehörig in den Hintern treten und damit zum Ausdruck bringen sollte, dass man so nicht mit mir umspringen könnte. Von keiner dieser Varianten war ich besonders angetan und fuhr stattdessen mit einem unguten Gefühl tagein, tagaus zur Baustelle und hoffte, nicht auf meinen Nachbarn zu stoßen.
An einem Sommertag machte ich mich in der Früh zur Baustelle auf. Es war ausgesprochen schwül und ich konnte förmlich ein Knistern in der Luft schmecken, das einen baldigen Regen ankündigte. Wenig später lüftete ich gerade das Haus, als dicke Wolken urplötzlich am Himmel aufgetaucht waren und schwere Tropfen niederfallen ließen. Meine Vermutung bewahrheitete sich also – immerhin etwas an diesem trüben Tag. Als ich im Inbegriff war, wieder nach Hause zu fahren, sah ich, wie mein Nachbar das Grundstück betrat. Ich will nicht lügen oder etwas beschönigen: Mir rutschte das Herz ganz schön in Hose. Aber es musste ja früher oder später dazu kommen, also ging ich nach draußen. Er entdeckte mich sogleich und raste förmlich auf mich zu: „Wenn du mir auf die Glocken hauen willst, dann nur zu!“ Wie schaffte es dieser Mann nur, dass er mich scheinbar mit jeder seiner Handlungen und Worte zu einem Kaninchen machte, das regungslos vor einer Schlange sitzt? Da ich nicht reagierte, übernahm er erneut das Kommando und stellte sich mir vor, als begegneten wir uns heute zum ersten Mal. Er wirkte tatsächlich höflich und gut gelaunt, und ich hätte einen Teufel getan, jetzt auf mein Recht zu pochen oder ihm doch noch auf die Glocken zu hauen.
Wir redeten ein wenig miteinander und endlich traute ich mich, ihn zu fragen, weshalb er so erzürnt über den Zaun sei. „Die Polen haben einen großen Teil des alten Betonfundaments nicht entfernt. Ich bin sogar einmal darüber gestolpert. Was meinst du: Du holst den Rest aus der Erde und ich entsorge ihn?“ Er reichte mir seine Hand: Wieder nahm ich sie an und ließ mich auf die Abmachung ein. Am nächsten Tag – es war ein herrlicher Sonnentag – entfernte ich am Vormittag alles, was noch vom alten Zaun übrigblieb.
Eine Woche später fädelte ich durch Stäbe meines neuen Zauns einen Sichtschutz und sah fortan kaum noch etwas von meinem Nachbarn. Es war, als würde dieser neue Zaun endlich erfüllen, was der alte nicht konnte: abgrenzen, isolieren, ausblenden. Endlich hatte ich meine Ruhe. Zumindest vorerst.
© Patrik Bruna 2025-01-23