von Aime
Es war einmal … vor 11 Jahren … als ich mit der Straßenbahn nach Hause fuhr. Ich ergatterte einen Sitzplatz ziemlich vorne. Freute mich mein Buch weiterleben zu können, bin keine Zeitungsleserin. Ich war ziemlich alleine damit, mich an einem Buch zu erfreuen. Nur manchmal lasen Studenten in ihren Studienbüchern. Ansonsten war es wie heute: Alle Kopf gesenkt, um aufs Handy zu starren. Mütter unterhalten sich auch lieber am Smartphone als mit ihren Kindern. Ab und zu schimpft eine und alle Kinder fangen an zu schreien. Eine Mutter kann ihr Kind nicht mehr beruhigen. Ich fragte sie: „Darf ich es versuchen?“ Zuerst war sie fast geschockt, dass ich sie angesprochen hatte. Erklärte ihr, dass so kleine Kinder oft interessiert sind an Fremden. Hören auf zu weinen um zu lauschen, was die Frau denn will. Genauso war es. Alleine das Gespräch mit der Mutter ließ das Baby aufhorchen. Ich brauchte gar nichts mehr weiter zu sagen. Hätte ihm mein (harmloses) Buch im schön glänzenden Umschlag gezeigt. Die Mutter war erleichtert. Sie dachte wohl, ich würde mich aufregen, wie so manche in dieser Bim. Eigenartige verklemmte Stimmung war das.
Ich lese weiter. Plötzlich vernehme ich ein Gepolter. Konzentriert auf mein Buch hatte was verpasst. Die Mütter mit ihren Babies waren schon ausgestiegen. Schade, dass sie sich nicht verabschiedet haben, dachte ich. Doch nun sah ich erst was da los war ganz vorne. Ein junger schwarz haariger Mann zerrte einen anderen mit blonden Haaren Richtung Tür. Er verlangte eine Entschuldigung von dem, weil er seine Mutter beleidigt hätte (mit Worten im Streitgespräch). Keiner der beiden wollte nachgeben. Es sah sehr gefährlich aus. Die Menschen flüchteten nach hinten und hüpften schnell aus der Bahn, sobald sie anhielt. Die wenigen verbliebenen Menschen verlangten vom Straßenbahn-Fahrer ein Einschreiten. Doch der verkapselte sich hinter der Glastür und fuhr weiter. Dann kam es zu einem richtigen Kampf. Die wenigen Fahrgäste waren scheinbar in Todesangst. Der dunkelhaarige mit türkischem Akzent zückte ein Messer und schrie: „Ich stech dich ab!“
Jetzt sitzt auch mir die Furcht im Nacken. Ich höre auf zu lesen. Stoßgebet um Frieden. Es nutzt nix. Sonst hilft es bei fast allem. Wenn Beten alleine nicht mehr hilft? Alle zittern mehr als ich vor Angst, dann muss ICH helfen. Der Ernstfall ist eingetreten. Einen Moment lang sah es so aus, als ob er das Messer herunternimmt, weg vom Gegner. Ich blicke mich verzweifelt um und bin jetzt ganz alleine mit den Zweien. Inständig hatte ich gehofft einer der Männer würde helfend eingreifen. Ich dachte nach: Türken lieben ihre Mütter! Festen Schrittes stürmte ich auf den mit dem Messer zu und rief: „Stell dir vor, ich bin deine Mama, was würde sie tun?“ Zack und ich schlug ihm kraftvoll das Messer aus der Hand. Zu dem anderen jungen Mann schrie ich: „LAUF, LAUF SCHNELL!“ und er lief – sprang aus der Bim. Der andere ihm nach, aber da wartete schon die Polizei. Endlich konnte ich weiterlesen 📖 😅!
© Aime 2022-10-28