Zuhause

Die Straßen sind nicht das, was sich verändert hat. Die Laterne steht an derselben Stelle und auch der Tunnel durch den in ich Fahre steht noch. Vielleicht kommt dieses Gefühl daher, dass ich diese Straßen zu gut kenne. Ich bin diese Kurve bestimmt tausendmal entlang gefahren. Hab genau an dieser Ampel gestanden und gewartet bis es grün wird. Genau hier, an dieser Ecke habe ich mein Fahrrad unzählige male abgestellt und bin dann über den roten Steinboden, bis zu der Haustür gelaufen und habe geklingelt. Das Wasser hab ich gesunken und gestiegen gesehen, jetzt gerade läuft es bis auf die Wiese. Auf dem Deich sitzen Menschen und ich suche nach Gesichtern, die ich kenne, aber ich finde keine. Vielleicht dachte ich das diese Stadt einfriert, wenn ich nicht da bin. Das hier die Zeit auf mich wartet und erst dann weiterläuft, wenn ich die Grenze übertrete, überfahre oder überfliege. Und auf eine Art ist das die Wahrheit. Das Haus, in dem ich gewohnt habe, hat sich nicht verändert. Die Menschen die nicht fliehen konnten, reden noch über dieselben leeren Dinge wie damals. Aber das Café an der Ecke hat geschlossen und die Fenster sind jetzt von innen mit Zeitschriften beklebt. Jeder hat hier ein Leben gelebt, als ich nicht da war. Aber ich. Ich hab immer noch denselben Namen und ich werde immer hier geboren und groß geworden sein, aber weiter als das geht dieser Ort nicht. Ich bin gegangen. Ich bin gegangen, um mein zuhause zu finden. Ich werde immer hier herkommen und merken, dass der Ort teil meiner ist. Auf dieser Bank da vorne hatte ich meinen ersten Kuss. In dem Gebäude bin ich zur Schule gegangen für 6 Jahre. Das ist die Bahn, in der ich saß und geweint habe. Am Werdersee habe ich das erste Mal Alkohol getrunken und bin im Sommer jeden Tag in das Wasser gesprungen. Auf diesem Bordstein habe ich das Fahrrad fahren gelernt. An der Ampel wurde mir das Herz gebrochen. An jeder Ecke hängt eine Erinnerung von mir, Wörter die ich gesagt oder Gedanken die ich gedacht haben. Und auch wenn ich nicht bei jeder Erinnerung grinse, ist es trotzdem alles ein Teil von der Person, die ich heute bin. Aber ich wohne hier nicht mehr. Und ich werde hier nie wieder wohnen. Ich bin entkommen und suche jetzt mein eigenes Leben und meinen eigenen Ort, mit eigenen Menschen die Teile von mir und ich Teil von ihnen werde.