von J_Welik
Mein Vater erzĂ€hlte mir oft die Geschichte vom Bettler. Hungrig lief er im Bahnhof, fragte nach Geld, bekam mal hier und da einige MĂŒnzen. Eines Tages ging er auf zwei Frauen zu, fragte sie um einen Euro. Eine von ihnen sagte: „Willst du etwas essen?“
Er nickte, fragte um einige MĂŒnzen.
Sie fragte noch einmal. Er nickte. „Komm ich kaufe dir zu essen.“
„Nein! Ich will mir selbst Essen kaufen. Ich brauche Geld.“
„Du willst etwas essen. Ich kaufe es dir. Geld gebe ich dir nicht.“
„Verdammt!“ Er verschwand.
Heute Abend stehe ich nach einer langen Zugfahrt am Bremer Hauptbahnhof, beobachte rein intuitiv wie jemand entlang schlendert und Passanten fragt. Er bettelt. Ein ArabischstĂ€mmiger tĂ€towierter Mann. Ein Meter sechzig, zersauste Haare, schmuzige Sportjacke und Jeans. DrauĂen ist es schwĂŒll. „Hast du zwei Euro?“
„Willst du etwas zu Essen?“, frage ich.
„Ja und zwei Euro.“
„Kein Problem. Was möchtest du Essen?“
Er zeigt unweit von uns auf einen Dönerladen. „Gut, lass uns hingehen.“
Wir gehen gerade weg dorthin, er bestellt eine Dönerbox mit HĂ€hnchenfleisch. Ich frage den Kassierer, ob er mir einen fĂŒnf Euro Schein wechseln kann. Bezahle und er sieht mich benebelt an. „Trinken. Kannst du mir Trinken kaufen?“
„Ja, aber kein Bier.“
Er nickt, geht in den Laden und nimmt sich eine Fanta. Der Kassierer gibt ihm die Dönerbox. Ich reiche dem Hungrigen zwei Euro hinterher. Er bedankt sich und geht weg.
„Alles Gute“, sage ich und gehe meinen Weg.
Wenn Du helfen kannst, verlange nichts zurĂŒck. In diesem Leben gehört uns nichts. Wir borgen es aus und geben es weiter.
Autor J. Welikson
© J_Welik 2020-08-21