Fasziniert von der Kirche träumte ich davon, Priester zu
werden. Im Klosterinternat angekommen, war der Traum schnell
vorbei. Die Neuankömmlinge waren schutzlos der Brutalität der
älteren Schüler ausgesetzt, was die Ordenspriester wegsehend
duldeten. Schulischer Druck und Angst vor älteren Schülern trübten
das Leben im Kloster Dachsberg. Meine Kindheit war schlagartig
vorbei. Als Zehnjähriger musste ich lernen, unter halbstarken
Pubertierenden zu bestehen. Die schwere Zeit schweißte uns
zusammen, und tiefe Freundschaften entstanden. Der Alltag war
geprägt von Gebet, Studium und Arbeit. Als sich mein bester Freund
gegen mich stellte, wurde ich plötzlich von allen angefeindet und
gedemütigt. Nach einer dramatischen Eskalation wandelte ich mich
vom Opfer zum respektierten Burschen, mit dem sich bald niemand
mehr anlegte. Mit meinen Freunden erlebte ich viele Abenteuer, und
wir überschritten die engen Grenzen des Klosterinternates. Erste
Liebesgefühle erwachten, wie auch die Sehnsucht nach Freiheit. Aus
dem zehnjährigen hilflosen Schwächling wurde ein Rebell, der sich
gegen die Ungerechtigkeiten auflehnte. Ich ging gestärkt aus dem
Internat in die Zukunft!
© Walter Weinberg 2021-01-05