Zeitlos ist es hier im Abteil. Verwaist sind die meisten Sitzplätze und ich lasse mich durch die Stationen fahren. Relativ umweltfreundlich, relativ still, relativ sicher, ist es hier herinnen, während viele andere da draußen sind, während ich ab und zu aus den Fenstern sehe, wenn die Bahn oberirdisch unterwegs ist.

Dann sehe ich die Passanten spazieren, sehe in so manche Wohnungen, auf vertraute Straßen, und erhasche für einen Augenblick eine Momentaufnahme, der unzähligen unbekannten Menschen, die ihr Leben leben.

Vielleicht stirbt auch jemand soeben und ich fahre einfach weiter, ohne etwas davon zu bemerken.
Es bereitet mir eine innere Freude zu sehen wie die senkenden Sonnenstrahlen die verschiedensten Wohnhäuser mit ihrem altwienerischen Denkmal artigen Fassaden anleuchtet.

Dann wünsche ich mir manchmal ein Vogel zu sein, der auf einem der Dächer sitzt, sich sonnen lässt und einen atemberaubenden Ausblick hat. Dann würde ich zum windstillen Himmel fliegen, dem blau entgegen, mich manchmal von einer weißen Wolke umarmen lassen. Vielleicht würde ich dazwischen bei einem Kranken vor sein Fenster fliegen und eine beruhigende Melodie singen.

Danach wäre es ein blühender Magnolienbaum im japanischen Garten Wiens, auf dem ich mich niederlassen würde, ich würde an Blüten riechen und eine davon mitnehmen, ein Blatt, und dieses Blatt auf den Wienfluss legen, es würde in eines der Meere treiben und mit seinem Duft das Wasser füllen.

Vielleicht würden manche Tropfen voll vom duftenden Wasser in der Abendsonne verdunsten und als sanfter Nieselregen auf mein wahres Ich niederfallen, während ich von der U-Bahn Station nach Hause spaziere.

Manchmal träume ich solche Sachen in der U-Bahn, findest Du das lächerlich?
Lächerlich vielleicht, während die monotone Stimme die nächste Station ankündigt.

Moment, die Stimme ist verstummt, es sind nur mehr die Anzeigen, die kein Blinder bemerkt. Auf den Sitzen sitzt kein Mensch, es ist Stummheit und Stille um mich herum. Ich lese eine Zeitung von vorgestern, sie wurde vergessen aufzuräumen und ich lese Nachrichten, die mich nicht betreffen, während das gleichmäßige Geräusch der Schienen eine Unterlage bietet-gleichmäßige Routine, die alte Nachrichten mit sich tragen, Papier, das langsam verblasst, auf Schienen, die frisch geölt wurden und zwischen Stationen noch ältere Zeitungen herumliegen.

"Alles einsteigen - Zug fährt ab", das sage ich leise beim verlassen einer Station. Ich wäre ein guter Ansager gewesen.

Ich beginne mich von einem Platz auf den anderen zu setzen. Das macht mir Spaß. Ich finde Freude am Augenblick, während der Vogel auf dem Dach eingeschlafen ist, der Regen im Wasser des Wienflusses versinkt, während Nachrichten von vor gestern älter werden und mich der U-Bahn Schaffner nach meiner Karte fragt und ich hinter meiner Maske zu lächeln beginne.